Corona und Nachhaltigkeitsperspektiven

Einige Überlegungen, die weder Corona leugnen wollen, noch politische Entscheidungen unterlaufen wollen, aber ein Beitrag sein wollen, über das kurzfristige und manchmal auch atemlose Alltagshandeln hinaus zu schauen. Viel Spaß und Aufschluss beim Lesen!

Kleiner Vorspann

Wenn ich körperliche Symptome habe, dann stelle ich sie in einen Zusammenhang mit meiner Verfassung und versuche mir deren Ursächlichkeit zu erschließen.
Wenn meine Sehnen überdehnt sind, ahne ich vielleicht, dass ich sie überanstrengt habe, wenn ich am ganzen Körper Warzen habe, stelle ich vielleicht fest, dass mein Körper übersäuert ist.
Wenn ich Kopfschmerzen habe, habe ich mich vielleicht beim Nachdenken überanstrengt oder ich stehe unter großem Druck…
Herzrasen gibt mir vielleicht einen Wink dahingehend, dass ich Angst habe, vielleicht davor, verlassen zu werden…
Geht das Ihnen /Euch auch so?

Nehmen wir an, dass es auch eine Art gesellschaftlichen „Globalkörper“ gibt, dann wäre es unsere Aufgabe, nachzuspüren, warum in diesem globalen Zusammenhang Viren alles außer Kontrolle bringen können.
Was sehen wir nicht, was beachten wir nicht, worauf käme es vielleicht an? Worauf könnten Sie uns aufmerksam machen?
Der Text will ohne Anspruch auf Wahrheit und ohne globale Kritik an politischen Entscheidungsträgern zu üben, - die können im Moment nur im Nebel stochern und nur bedingt gleich die ganze Ursächlichkeit der möglichen im Hintergrund arbeitenden Themen treffen – einfach ermutigen selbst einmal darüber nachzudenken und nachzusinnen…

Ich erwarte keine kritiklose Zustimmung, keine solidarisch sein, ich wünsche mir, dass Du dir selbst Gedanken machst und zu verstehen versuchst.
Viele Menschen, die viele Gedanken haben, eröffnen vielleicht einen neuen Blick, der über das kurzfristige Handeln,, um Gefahr abzuwenden hinausführt,… Das wäre doch klasse!
Vielleicht kommen wir ja nicht nur auf eine Geschichte die uns Identität gibt und das Gefühl, Kontrolle zurückzugewinnen, vielleicht gibt es ja auch eine Geschichte, die uns einen Weg zeigt und zum Aufruf wird…

Corona

Das Virus war ein ungeschriebenes Blatt – erst nach und nach erweiterte sich der Erkenntnisstand im Hinblick auf Infektionswege, sowie typische Symptome und Verlaufsformen der Erkrankung. Die Behandlungsmöglichkeiten waren zunächst begrenzt, so dass Symptomlinderung und Verhaltensempfehlungen, die sich im Zusammenhang mit anderen hoch ansteckenden Erkrankungen bewährt haben, im Vordergrund standen (Abstand halten & Hygiene, später auch Alltagsmaske und vermehrtes Lüften). Angesichts der wahrgenommenen Bedrohungslage war es nachvollziehbar, dass größte Anstrengungen für die schnellstmögliche Entwicklung eines Impfstoffes verwandt wurden.
Zwischenzeitlich mussten die politisch Handelnden reagieren. In dem Bewusstsein vorläufig nur „auf Sicht“ fahren zu können, wurden Entscheidungen zur Krisenbewältigung – zumindest in der öffentlichen Darstellung – eng mit „der Wissenschaft“ abgestimmt und immer wieder nachjustiert.
Bei näherer Betrachtung wird allerdings deutlich, dass sich die Rat gebenden Wissenschaftler überwiegend aus den neuen Leitwissenschaften Virologie und Epidemiologie rekrutieren und diese Auswahl eine biopolitische Verkürzung eines Gesundheitsverständnisses begünstigt.
Die weitgehende Stilllegung des öffentlichen Lebens (lock down) kann als die bisher größte nicht-medizinische Interventionsmaßnahme begriffen werden, die sich entgegen dem vorgestellten Schulterschluss mit „den Wissenschaften“ zu großem Teil nicht auf evidenzbasierten Annahmen stützen kann.
Mag dies in den ersten Monaten der Pandemie angesichts des Handlungsdrucks noch nachvollziehbar gewesen sein, so wird länderübergreifend nach Wirksamkeitsbelegen gefragt. Auch nicht-medikamentöse Maßnahmen können Nebenwirkungen haben.
Die Maßnahmen haben Konsequenzen für die sozialen Beziehungen der Bürger, für deren emotionale Verfasstheit, für die Organisierung des Gesellschafts-Körpers, und für die symbolische Ordnung. Dies weist über die Pandemie selbst hinaus und setzt bereits länger andauernde Entwicklungsprozesse fort.
Wir lernen uns in verordneten Rastern zu bewegen und unsere Bedürfnisse zurückzunehmen. Für die Älteren unter uns eine kleine Einschränkung, für die kleinen Kinder unter uns ein grundlegend persönlichkeitskultivierender Vorgang!
Sie lernen folgsam zu sein und ihre Bedürfnisse auszublenden.
Mit Ausbruch von Corona, war es aus gutem Willen fürs Ganze naheliegend, anzunehmen, dass die Corona-bezogene inflationierende Ängstigung und das damit verbundene kopflose Handeln ein Ergebnis von Überforderung, vielleicht auch von Blindheit gegenüber eigenen Ängsten und Bedrohungsgefühlen oder auch von aufkeimenden sich selbst überhöhenden Omnipotenz-Gefühlen war.

Denn nicht nur Patienten/innen oder die Bevölkerung schlechthin haben Ängste, sondern z.B. auch Ärzte/innen. Sie sind dem ungefilterten Patientenaufkommen ausgesetzt, wissen nicht, ob sie sich selbst anstecken, haben zusätzlichen Stress, weil sie Aufgaben der Gesundheitsbehörden übernehmen müssen und - sie müssen, wenn sie Kinder haben, die Schließung von Kita oder Schule auffangen oder bei eigenen Jugendlichen das Getrenntsein von ihren Peergroups auffangen helfen. Leider findet eine beziehungsmedizinische Sicht auf die Situation bis jetzt kaum statt.

Jeder Arzt wurstelt vor sich hin und entwickelt seine ganz eigenen Lösungen und schließt sich dem Mainstream unreflektiert an, um nicht herauszufallen. Denn die, die sich eine individuelle Handhabe erlaubt haben wurde in die Ecke von Verantwortungslosigkeit gestellt.

Aber auch Politiker haben Ängste, z.B. davor, in der eigenen Schockstarre politisch unterzugehen, unsichtbar zu werden. Oder davor, falsche Entscheidungen zu treffen und dafür ins Abseits zu geraten. Oder davor, als verantwortungsloses Weichei betrachtet zu werden, das keine Haltung findet und auch nicht den Mumm hat, Lösungen in Struktur- und Handlungsvorgaben hinein, vorzugeben.

Mit Großherzigkeit sei zunächst einmal darauf geschaut. Aber wir wollen darin jedoch nicht verharren. Denn eine Krise bringt immer auch eine Chance mit sich, das eigene Verhalten zu reflektieren und zu verändern. Die Kunst im Leben ist es, aus einer Krise zu lernen und im besten Fall gestärkt daraus hervorzugehen.

Wenn wir etwas Abstand zu den ganzen Prozessen suchen, die uns im Moment bewegen, dann dürfen wir festhalten: Die Arbeitsunfähigkeitsstatistiken der letzten Jahre zeigten bereits vor der Corona-Krise einen deutlichen Anstieg psychischer Erkrankungen. Ein steigender Kosten- und Zeitdruck, kognitive und zwischenmenschliche Anforderungen, sowie die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust tragen dazu bei, dass Arbeitsnehmer zunehmend psychisch belastet sind.
Um die Arbeitnehmer in diesen Punkten zu entlasten, bedarf es Methoden, die in ihren Alltag passen und einfach anwendbar sind. Das Ziel ist dabei immer, den Arbeitnehmer dabei zu unterstützen, in einen Zustand zu finden, der es ermöglicht, unter allen denkbaren Bedingungen, die eigene Leistungsfähigkeit zu erfahren. Eine große Leistungssteigerung ergibt sich z.B. daraus, wenn es uns gelingt, dass die Amygdala im Gehirn, welche bei Bedrohungen aktiv wird, keine weiteren Stressreize empfängt. Somit wird das Abwehrsystem in einen ruhenden Zustand versetzt und der Körper schüttet weniger Stresshormone, wie z.B. Cortisol aus. Allein das ermöglicht es, auf die vorhandenen Ressourcen zurückzugreifen und sachliche Entscheidungen oder Denkkonstruktionen zu entwickeln, die uns dabei helfen die Herausforderung aus der Ruhe anzunehmen und kreativ-schöpferisch zu bestehen. In Verbindung zukommen mit dem eigenen Sein, dem Urgrund also, aus dem wir leben, kann Wunder bewirken und das allgemeine Wohlbefinden unglaublich steigern.
Doch genau das Gegenteil haben unsere politischen Kräfte, auch die öffentlichen Medien, als Sinnerzeuger und den Zusammenhängen Bedeutung gebende Instanzen, auf den Weg gebracht. Dialog, multidisziplinärer Austausch, Diskurse über verschiedene Ansätze, wurden unterdrückt und Angst bei den Menschen geschürt. Allmählich konnte bei der/dem wachen Beobachter/in das Gefühl entstehen, dass das Vorgehen beabsichtigt ist.
Die Maßnahmen waren alle so angelegt, dass wir über Zahlen, technische Daten, verwaltungstechnische Kontrollmechanismen und Datensammelkorridore uns Informationen kreieren, die uns dann zum Leitstern für unser automatisiert geführtes Handeln werden, das sich an nicht mehr tragfähigen Werten orientiert. Im schlimmsten Fall könnte sich daraus eine neue Gesellschaftsordnung ergeben, die sehr stark über künstliche Intelligenz und Digitalisierung geprägt ist.
Digitalisierte Vorgabesysteme, machen es dem Verwaltungshandeln leicht, Menschen „auf Spur“ zu bringen, in jedwedem Sinne. Außerhalb der angelegten und eingeladenen Vorgangsstrukturen tut sich ein Unraum auf, der uns vereinsamen lässt und uns ins Nichts stürzt, wenn wir auf das Leben außerhalb in freieren, aber auch gemeinschaftsbezogenen, Räumen beharren. Diese Mechanismen ermöglichen es also, jeden Menschen bis ins Detail zu kontrollieren.
Zudem wird der Mensch über die Logik des Verwaltungshandelns seinen Subjektstatus verlieren und mehr und mehr zu einem Objekt werden, das am Ergebnis gemessen wird und daran, ob er sich „einspurt“ oder „ausschert“. Wie können wir den Trend zu einer totalen Instrumentalisierung des Menschen entgegenwirken?
Oder noch grundlegender gefragt, wollen wir das überhaupt oder fühlen wir uns nicht in diesem geführten „Pups-warmen“, Gemeinschaftsbrei, der von uns allen das Gleiche verlangt, aufgehoben und von unserer Eigenverantwortung entlastet? Macht es Sinn, die Vorschrifts- und Hygiene-Diktatur, die wir aus der Tierhaltung kennen, auf den Menschen zu übertragen, obwohl wir doch dort die Erfahrung gemacht haben, dass die alleinige Beschäftigung mit Kennziffern, Vorgabekontrollen rechnerischer Art nicht zu einer Verbesserung der tierischen Lebensumstände geführt haben, sondern uns abgelenkt haben von dem, was das Wesen der Tiere an Lebensbedingungsraum braucht, damit sie ein Leben in Selbstwürde leben können, auch wenn sie uns gleichzeitig als Nahrung dienen.

Die Frage, die ich mir an diesem Punkt stelle und die ich mir erlaube auch Ihnen als Leser zu stellen, lautet:

„Wofür möchtest du leben?“

Leider können sehr viele Menschen mit einer solchen Frage gar nichts mehr anfangen. Unser gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben ist heute so strukturiert, dass die meisten von uns sich solch einer Frage gar nicht mehr stellen müssen und damit leicht manipulierbar werden. Dies geschieht schon allein dadurch, dass sich Prozesse von uns Menschen und unseren Bedürfnissen abgekoppelt haben und uns nicht mehr dienen, sondern zu Selbstläufern geworden sind, die aus ihrer inneren Logik des immer mehr und immer besser, immer schneller und immer effektiver und möglichst auch immer kostensparender, uns Menschen aus dem Auge verloren haben und ihrem selbsternannten Selbstzweck dienen.
Wer die von mir gestellte Frage allerdings klar für sich beantwortet im Sinne seiner Natur und seines angelegten Grundwesens unter Blick auf unsere Primärbedürfnisse, wie z.B. unsere Mitwelt intakt zu erhalten, Naturschutz, Artenschutz aktiv zu betreiben und unser Klimabewusstsein zu schärfen, um die Auswirkungen unseres Handelns besser einschätzen zu lernen und dafür Verantwortung zu übernehmen, der kann sich in diesen Systemabläufen mit ihrer selbstproduzierten und abgekoppelten Logik nicht mehr bewegen.
Wie aber nun könnte die Logik aussehen?
Das Gesellschaftsmodell heißt möglicherweise individualisierte Gemeinschaft. Eine solche Gemeinschaft lässt sich allerdings nur mit Menschen aufbauen, die wissen, wer sie sind und was sie wollen. Wenn sich solche Individuen zusammenschließen, ist die Entfaltung der in jedem Einzelnen und auch der in jeder Gemeinschaft angelegten Potentiale unvermeidbar.
Klasse wäre es, wenn sich Menschen finden würden, die zusammen arbeiten wollen, die an solchen Findungsprozesse interessiert sind, die nach gelebten Antworten suchen, die Individualität, Gemeinschaft und unsere Lebensgrundlage - die Erde auf der wir leben - miteinander in einer vereinbarten und sich weiter entwickelnden Lebensgestalt verknüpfen. Natürlich unter Einbeziehung vielerlei Perspektiven, die die Notwendigkeiten für unsere Lebensgrundlage mit implizieren.
Offenbar ist man beim Hineinwachsen in unsere Welt aufgefordert, Bedürfnisse auszublenden und zu unterdrücken. Zum Beispiel das Bedürfnis nach Aufgehoben sein und sich sicher fühlen zu wollen im Vertraut gemachten oder das Bedürfnis, dieses zunächst als schützend empfundene Milieu, schrittweise in Abstimmung mit unserer Reifestufe bzw. unserer Entwicklung neugierig-zögernd dialektisch zu überwachsen hinein in mehr Autonomie..
Das Bedürfnis nach Autonomie, das Bedürfnis nach Selbstgestaltung, das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Verbundenheit, das Bedürfnis nach Gehört werden und Verstanden werden, das Bedürfnis in der Sprache der begleitenden „Beschützer“ so vorzukommen, dass wir uns darin wiederfinden und uns erkennen und verstehen lernen und damit auch in Kontakt mit den grundlegenderen Lebensgesetze in Kontakt zu kommen und ein Gespür für sie zu entwickeln. Auch das Bedürfnis nach Bewegung und Körperlichkeit, wie auch nach Sinnlichkeit, müssen wir, wollen wir uns im vorgegebenen Rahmen bewegen, ausblenden lernen, in der bisher vorherrschenden Kultur. Das geht oft soweit, dass wir den Kontakt dazu verlieren und auch nichts mehr von den unterdrückten Bedürfnissen wissen.
Denn das Unterdrücken unserer lebendigen Bedürfnisse ist eine aktive Leistung, die dadurch gelingt, dass ich mich mit dem operativen Täter der Bedürfnisunterdrückung identifiziere und die zunächst wahrgenommenen Bedürfnisse aus meinem Bewusstsein nehme, um unausgesprochen geforderte Loyalität zu leben und mir dadurch die Verbundenheit zum Regelgeber zu erhalten. Gelingt mir dieser Schritt, habe ich selbst die Verbindung zu meinen ursprünglichen Bedürfnissen verloren.
Da das ja in dieser äußeren wie auch inneren Konfliktsituation hilfreich ist, identifiziert man sich auch mit dieser Lösung und kann nur schlecht davon abweichen, weil das nämlich die damit verbundenen existentiellen Ängste wieder wecken würde.
Gelingt es uns durch sich wiederholende einschneidende Erlebnisse wieder in Kontakt mit den unterdrückten, gehemmten, umgelenkten Bedürfnissen zu kommen, spüren wir einerseits Wärme, Mitgefühl für uns selbst und es entstehen berührende Situationen, weil in uns etwas anklingt, wozu wir lange schon keine Verbindung mehr hatten. Es keimt aber auch Angst auf, weil es schwer ist, Vorstellungen zu entwickeln und Lebensräume zu finden oder zu gestalten, in denen das auch gelebt werden darf.
Wir sind also neben dem Coronavirus SARS-CoV-2 wohl zudem mit einer ganz anderen Art Virus befallen, einem „geistigen Virus“. Ist es doch so, dass wir uns vor der Corona-Pandemie in der Hektik des Alltags mehrheitlich keine Ruhe gegönnt haben und von Ort zu Ort eilten. Wir waren von den technologischen Errungenschaften unserer Kultur in konsumtiver und einer extrem beschleunigten Lebensweise getrieben. Die industrielle Revolution 4.0 und deren ungeahnte Möglichkeiten wurden ausgerufen. Die Welt schien auf grenzenlose Weise verfügbar, zugleich war sie in der Sehnsucht nach Geborgenheit entortet und entfremdet. Und bei all dem Verlangen nach einer entschleunigten Lebensweise schauten wir uns zur vermeintlichen Entspannung die aktuellen Krimiserien an, als würde es nicht ausreichen, die kriegerischen Auseinandersetzungen zur Kenntnis zu nehmen zu müssen. Und bei den „ungebetenen“ Gästen, denen wir zusehen, wie sie dem Tod im Meer ausgeliefert sind und ihr Land wergen der verheerenden Kriege verlassen müssen, inszenieren wir ein angstdominiertes Schreckensszenario, indem wir wieder fremdenfeindliche Reflexe der Aussperrung bedienen. Sind wir Menschen gegen die Not von Flüchtlingen immun geworden? Sehen wir nicht, dass unsere Lebensweise in vielen dieser Länder auch zu klimatischen Veränderungen führen, die deren Not vergrößert und für die wir in Verantwortung stehen? Gleichzeitig bringt uns Corona wieder in Kontakt mit der Endlichkeit unseres Lebens. Und das ist mehr als wichtig, es ist not-wendig: Denn der Tod wird gesellschaftlich schon lange so gestaltet, dass jedes Aufkommen von Affekten und leiblichen Regungen möglichst vermieden wird.
Sterben und Trauer sind im öffentlichen Raum weitgehend abhandengekommen, wenn sie nicht gerade für „Menschen mit Bedeutung im öffentlichen Leben“ inszeniert werden, aber dann doch nur, damit sie in unserer Erinnerung „überleben“ und dadurch unsterblich werden.

Es ist vor allem die Angst um den Verlust der materiellen Errungenschaften, die den „homo oeconomicus“ in der Nutzenmaximierung fest im Würgegriff hat. Ist es gar der „homo consumens“, den der Psychoanalytiker Erich Fromm als ängstlichen und entfremdeten Menschen beschreibt, der hier wirkt? Konsumieren ist etwas Zweideutiges: Es vermindert die Angst, weil mir das Konsumierte nicht weggenommen werden kann, aber es zwingt mich auch, immer mehr zu konsumieren, denn das einmal Konsumierte hört bald auf, mich zu befriedigen.

Haben wir denn nicht bemerkt, wie uns die Angst leitet? - Dass sich in uns längst eine Schockstarre ausgebreitet hat, die uns lähmt und die uns gleichzeitig in eingeübten Handlungsbereitschaften und gesellschaftlich eingespieltem Kulturhandeln verharren lässt, die lange schon ausgedient haben?

Viele von uns sehnen sich nach der Stille, wollen neu anfangen, ahnen, dass wir neu anfangen müssen. Corona hat uns eine erste kleine Möglichkeit geschaffen, etwas von dieser Qualität wieder in uns hineinzulassen, mit mehr oder weniger Angst bzw. Erfüllung. Bei denen, die erfolgreich sind, hilft die Zeit der Besinnung wieder Kontakt mit ihren primären Sehnsüchten und Wünschen aufzunehmen. Sie sind nicht mehr nur von Sorge getrieben, ihre Kinder für die Wissensgesellschaft fit machen zu
müssen. Sie fangen an zu erkennen, dass das Spiel selbst, das experimentelle Ausprobieren und neugierig Erfahrung machen, die nachhaltigste Form des Lernens als Kultur schaffende Funktion von Fantasie und Kreativität darstellt. Hier wird vom Subjekt her gelebt, als auch ausprobiert - und damit auch aus Erfahrung gelernt. Es wird nicht länger mehr dem Objekt eingeflößt, was von seiner vermittelten Perspektive her längst anfängt, sich aufzubröseln.

Wir entdecken schon seit längerer Zeit existierende Methoden der Geistesschulung, z. B. die Achtsamkeit. In einer bisher noch nie praktizierten Rücksichtnahme für unsere Mitmenschen bietet uns gleichwohl die auf uns selbst gerichtete Beobachtung ungeahnte Möglichkeiten für die Erfahrung des inneren Standortes. Wir hatten uns ein inneres Trugbild geschaffen. Wir erkennen plötzlich unser bisheriges Bestreben vor anderen im besten Licht dazu zu stehen und können heute dem inneren Wachstum den Vorrang gegenüber der Verdrängung der Selbsterkenntnis in geschäftigem Alltag den Vorrang einräumen. Es entsteht Selbstmitgefühl und dadurch auch Mitgefühl für andere. Das für den inneren Fortschritt so bedeutungsvolle Selbstvertrauen erfährt auf diese Weise eine Entfaltung, die Wissensklarheit und Zufriedenheit befördert. Anstatt nach Außen alles immer größer, besser und noch effektiver und billiger zu machen, fangen wir an, zu begreifen, wieviel wichtiger es ist, nach innen zu reifen.

Die Wissenschaft erhält inzwischen die Anerkennung, die ihr gebührt, indem sie im interdisziplinären Dialog nach und nach in die politischen Entscheidungen einbezogen wird. So wird die Forschung nicht mehr abstrakt im Olymp angesiedelt, sondern sie bietet für das Verständnis der komplexen Fragen im politischen Diskurs entscheidende Impulse. Wir beginnen, Wissenschaft als einen Lernprozess zu betrachten, in dem neues Wissen generiert wird. Traditionelle Erkenntnislage ist, Wissensstände stets als korrigierbar zu definieren. In diesem Zusammenhang erinnern wir uns an den klugen Hinweis in der griechischen Philosophie, namentlich von Sokrates ausgesprochen, „ Ich weiß, dass ich nicht weiß.“, welcher schon seinerzeit grundlegende Bedeutung hatte.

Was hält nun in einer solchen Zeit Menschen gesund, ist hier die salutogenetische Frage. Salutogenetisch sind die Menschen am besten ausgestattet, die eine relativ stabile Lebensorientierung und durchtragende Zuversicht im Hinblick darauf entwickeln können, dass ihr Leben prinzipiell nachvollziehbar bzw. verstehbar, sinnstiftend und zu bewältigen ist. Sie sind getragen von der Grundüberzeugung und Zuversicht, die Anforderungen des Lebens mit den ihnen gegebenen Ressourcen zu bewältigen und zwar unter dem Zeichen von Naturschutz, Lebensschutz, Klimaschutz, also von grundlegender Achtung und Liebe für unsere Lebensgrundlage. Es ist die Verstehbarkeit, die Bewältigbarkeit und die Sicht auf den Sinn des Geschehens, die den Menschen in die Lage versetzen mag, im Kontext des Lebens trotz aller Herausforderungen stets einen kohärenten, Sicherheit bietenden Halt in sich selbst, zu finden.

Möglicherweise geht es auch für uns als gesellschaftliche Gemeinschaft darum, Globalität neu zu denken, bisherige Werte zu überprüfen und zuzulassen, dass wir alle vor diesen bevorstehenden Neuerfindungs- und Veränderungsprozessen Angst haben. Anzuerkennen, dass uns das Klima im Nacken sitzt, dass unsere Welt größer und verbundener und damit schneller und „heißer“ geworden ist und dass es eine neue Verlangsamung geben muss, die mehr Raum lässt - und die entstandenen Reibungsnähen, die dazu geführt haben, dass wir uns in einem Hamsterrad der Rituale haben gefangen nehmen lassen wieder abkühlen hilft - die wieder mehr Abstand ermöglicht, dass jeder Einzelne von uns diesen Prozess des Neuerfindens mit mehr Respekt und Achtung vor der Natur, vor dem Lebendigen, vor unserer eigenen Natur und Lebendigkeit, ergreifen und gestalten kann.

Natürlich sehnen wir uns nach einem Orchesterleiter, der uns jetzt sagt, wo es hingehen soll, der uns die Töne und die Melodiefolgen in ihrer Betonung vorgibt. Doch der Ruf nach dem Orchesterleiter verhallt, wenn alle Beteiligten bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und wenn sich alle in Abstimmung mit dem vorhandenen Wissen und dem neuen Blick auf das Wissen, gemeinsam beraten und abstimmen. Statt auf die Bekanntgabe von Entscheidungen zu warten, geht es doch um koordiniertes Lernen auf der Suche nach den effizientesten Reaktionen auf eine Herausforderung, die zum Gelingen eines förderlichen Gesamtwerkes, eben dem der Gesundheit, beitragen.

Noch eines:
Die Langeweile oder Plackerei einer sicheren, nicht stimulierenden Beschäftigung. Das Leugnen eines Problems verschlimmert ein Ergebnis. Das Vermeiden von schwierigen Dingen führt zu Abhängigkeit, Stagnation oder Selbstverlust. Machen Sie Fehler mit dem Ziel, aus ihnen zu lernen! Bemühen Sie sich, Stress zu bewältigen, anstatt ihn zu eliminieren. Minimieren Sie den Schaden, indem Sie eine Schwierigkeit zu Ihrem Vorteil wenden. Eine Herausforderung bringt den nötigen Ansporn.
Eine Herausforderung hilft Ihnen, sich der Angst zu stellen und sie zu überwinden. Die Herausforderung ist ein Segen, der Sie in gewisser Weise stärker und widerstandsfähiger machen wird. Öffnen Sie sich für das Licht der Welt, lassen Sie es in sich hineinfließen, lassen Sie sich davon bestärken und öffnen Sie es für Ihre Umgebung, lassen Sie es in ein zirkulierendes Fließen kommen, damit alle davon profitieren können. Stellen Sie sich allem, was auf Sie zukommt, und vertrauen Sie auf Ihre Fähigkeit, zu den notwendigen Veränderungen, die dem Wohle aller dienen sollen, beitragen zu können, auch durch Ihre oder gerade durch Ihre ganz persönlichen Lösungen auf die Sie kommen.
Denken Sie daran, dass innerer Druck, der sich ergibt, wenn das äußere oder das innere System in Bewegung kommt, eine wichtige Voraussetzung, ein wichtiges Element für Kreativität, Wachstum und Fülle ist!!

Je größer die Angst oder besser, die gefühlte Bedrohung, desto mehr wünschen sich viele Bürger/innen den Staat als Vormund, der neben dem, dass er die Richtung vorgibt, auch alle bestraft, die nicht folgsam sind. In der Krise, wollen viele Entschlossenheit sehen und Autorität spüren, gerne sogar Autoritäres, in der Hoffnung, dass das zu einem schnellen Ende der Krise führt. Regieren ohne Debatten im Bundestag, das kommt in solchen Zeiten gut an. Politische Kräfte, die nicht lange fackeln, Nägel mit Köpfen machen, zeigen, was jetzt Sache ist, sind bei den vielen beliebt. Vor Corona haben sich Menschen, die sich mit Video- und Kommunikationsüberwachung, mit Vorratsdatenspeicherung und Gendateien ausgesprochen haben, verdächtig gemacht, jetzt gilt er als Lebensretter, weil einem die Gefahr so nah auf den eigenen Leib gerückt ist. Mit Neid schauen heute viele auf Staaten wie China oder Südkorea, wo es mehr Disziplin, weniger Debatten und niedrigere Infektionszahlen gibt als in Europa. Da stehen die Überwachungskameras dicht an dicht, da müssen die Menschen ein iPhone/Handy tragen mit dem ihre Bewegungen staatlich nachverfolgt werden können. In China werden Menschen, die keine Maske tragen, von Überwachungsdrohnen per Lautsprecher scharf zurechtgewiesen. In Südkorea werden Kreditkartendaten nach jeder Nutzung der Karte an staatliche Stellen weitergemeldet. Solche Kontrollsysteme, erinnern an die Überwachung mit der elektronischen Fußfessel, wie wir es auch in Deutschland kennen, - allerdings beschränkt auf Verurteilte, die zuhause ihre Haftstrafe absitzen. In sehr obrigkeitsstaatlichen Systemen wird jeder Mensch zum Gefangenen der „Volksgesundheit“.
Die Risikogesellschaft sah sich auch bisher schon, also auch vor Corona, wachsenden Gefahren ausgesetzt: Organisierte Kriminalität, Wirtschaftskriminalität, Drogenkriminalität, Terrorismus, bewusst in Kauf genommene Umweltzerstörung… Diese bisherigen Unsicherheiten kulminieren nun in der Corona-Krise. Die Bedrohung ist mit Corona für jeden so spürbar, wie noch nie, bei welch auch immer bisher erfahrenen Bedrohungsszenarien.
Deshalb lässt sich beobachten, wie sonst eher kritische Bürger/innen schon abwehrend reagieren, wenn ein Skeptiker bloß zu fragen wagt, ob das angemessen sei, was Vater Staat da an Verboten, Ausgangssperren, Schul- und Betriebsschließungen, verordnet.
In Zeiten, in denen der Täter Corona heißt, gilt der Datenschutz für viele plötzlich nichts mehr. Wenn man sich auf den Begriff genauer einlässt, dann stellt man fest, er ist auch irreführend. Er klingt so, als schütze er abstrakte Daten. Er schützt aber Menschen, ihre Integrität, ihren persönlichen Raum und ihre Privatheit. Plötzlich genießt dieser Schutz nicht mehr dieselbe Achtung, wie er sie vorher hatte.
Das gesellschaftlich fokusierte Corona-Denken ist dabei, die Individualgrundrechte zu vergemeinschaften und der Volksgesundheit unterzuordnen. Die Individualrechte werden kollektiviert. Der einzelne Mensch und seine Rechte treten zurück hinter dem Großen und Ganzen, hinter kollektiven Werten.
Ein freiheitsfeindlicher Zeitgeist diskreditiert Grundrechte als Egoisten-Rechte. Das ist eindeutig nicht richtig!
Es sind schlicht Rechte, die nach unserem Grundgesetz voraussetzungslos gelten – und zwar für jeden; man kann und muss sie nicht erwerben, auch nicht durch eine Impfung. Sie gelten für Geimpfte und Ungeimpfte.
Es ist dies die Gefahr: Die Menschen gewöhnen sich daran, dass heftige Einschränkungen der Grund- und Bürgerrechte zu den Bewältigungsstrategien einer Krise gehören – und dass das Unverhältnismäßige in Krisen als verhältnismäßig gilt. Die Individualgrundrechte werden aber auf diese Weise nicht nur eingeschränkt, sie verändern komplett ihren Charakter. Sie werden gebraucht, verbraucht und vernutzt, um Kollektivgüter zu schützen. Wenn Corona durchgestanden ist, könnte sich das bei anderen Krisen und Katastrophen fortsetzen.
In 50 Jahren werden die Menschen möglicherweise mit unserer Lebenszeit die Ära verknüpfen, in der mithilfe der Digitalisierung die allgegenwärtige Überwachung durch den Staat begann. Ich finde, unsere Gesellschaft, sollte sich gegen diese mögliche Gefahr impfen. Hier gilt meiner Ansicht nach Impfpflicht!

Wir befinden uns mitten in einer Neuordnung des Sozialraums.
Die kommende Welt wird Distanz wieder schätzen – und gerade dadurch Verbundenheit qualitativer gestalten. Autonomie und Abhängigkeit, Nähe und Distanz, Öffnung und Schließung, werden neu ausbalanciert werden (müssen). Dadurch kann die Welt komplexer, zugleich aber auch stabiler werden. Diese Umformung ist weitgehend ein blinder evolutionärer Prozess – weil das eine scheitert, setzt sich das Neue, überlebensfähig durch. Das macht einen zunächst schwindelig, aber dann erweist es seinen inneren Sinn: Zukunftsfähig ist das, was die Paradoxien auf einer neuen Ebene verbindet. Ich behaupte, dass in dem, was wir als Einbruch in die uns „normal“ erscheinende Welt erleben, langfristige Entwicklungen zu Ausdruck kommen und im umfassenden Sinne neue Formen der gesellschaftlichen Interaktion und Organisation ankündigen.
Die Corona-Krise darf deshalb als umfassende Wandlungskrise der Gegenwartsgesellschaft verstanden werden und der Umbruchscharakter kommt in der Rede von den „Corona-Zeiten“ verdichtet zum Ausdruck.
In der frühen Phase des Lockdowns bestand eine bemerkenswerte Sensibilisierung für die Umstrukturierung des Sozialraums und die Folgen für die sozialen Beziehungen, die sich aus dem Gebot des Abstandhaltens und des Zuhause-Bleibens ergeben.
Die mit dem Lockdown verbundene, soziale Isolation erinnert an die von Norbert Elias beschriebene Figur des „homo clausus“ (Figurations- und Prozesssoziologie) als Resultat der Verinnerung von Fremdzwängen zu Selbsstzwängen im Prozess der Zivilisation.
Könnte das, was in der Akutsituation epidemiologisch geboten erscheint, über das Ende der Pandemie hinausgehend Folgen für die Gestaltung künftiger sozialer Interaktionen haben und sich dauerhaft in der psychischen und affektiven Struktur der Menschen niederschlagen?
Die große Frage lautet: „ Verändern die in der existenziell empfundenen Krise als direkte Antwort und Intervention eingeführten Verhaltensregulationen längerfristig die Art und Weise, wie wir einander begegnen, ohne, dass es dann gesetzlicher Verordnungen und Strafandrohung braucht, und die Art und Weise, wie wir wahrnehmen, denken und fühlen?“
Die Veränderung der Regeln zur Distanzregulierung zeichnet sich in Gestik (Ellenbogen statt Händeschütteln) und Mimik (Maske statt Ausdruck) ab und ist auch symbolisch wirksam.
Der wechselseitige Ellenbogenstoß hat paradoxer Weise eine Verringerung des Abstandes zur Voraussetzung und transportiert gegensinnig mit dem Zeichen der wechselseitigen Rücksichtnahme stärker als der Händedruck zugleich das vorhandene Aggressionspotential. In ähnlicher Weise verdeckt die Maske den Ausdruck und stimuliert parallel die Phantasien über das Verdeckte. Die Umsetzung erfordert also in besonderem Maße Ambiguitätstoleranz.

„Wie soll das denn gehen: der Mensch, der doch ein soziales Wesen ist, soll nun eben das Soziale meiden, das plötzlich existentielle Risiken für ihn bedeutet. Menschen mit Handschuhen, mit Mundschutz, besorgter Blick, ängstliche Bewegungen.“

Mit der Veränderung des Verhaltens der Einzelnen verändert sich auch ihr Verhältnis zueinander. Elias zufolge lassen sich Gesellschaften als Figurationen von Körpern beschreiben, die sich nach Regeln bewegen.
Hervorzuheben ist, dass die Körper dabei zugleich als biologische Wesen und als Kommunikationsmedien zu begreifen sind. „Just diesen Doppelcharakter machen sich Viren ja zunutze. Um sie zu bekämpfen, wird jetzt die Sozialfunktion der Körper extrem reduziert.“
Anders gesagt: Die Bewegungsregeln werden verändert, Erfahrungs- und Begegnungsräume begrenzt.
Damit steigt auch unabhängig vom Infektionsgeschehen das Risiko sozialer Distanzierung, Spaltungsprozesse sind die Folge und der über die alltägliche soziale Interaktion als selbstverständlich erlebte Unterbau der pluralistischen Demokratie wackelt. Gesellschaft ist ein körperlicher – oft stummer – Prozess.
Diese den Alltag strukturierenden Veränderungen gehen mit Verunsicherung einher, und die sich etablierenden Regeln werden selbst von politisch Verantwortlichen immer wieder übertreten.
In der derzeitigen Debatte besteht keine Einigung darüber, wie dieser soziale Prozess zu bewerten ist. Während Horx im Virus einen Evolutionsbeschleuniger sieht und die Frage aufwirft, „ob das Virus unser Leben in eine Richtung geändert hat, in die es sich sowieso ändern wollte?“, befürchten andere, eine parteiliche Zunahme sozialer Kontrolle oder gar eine Art Hygienediktatur.
Während Horx angesichts der sich ausbreitenden Krise hoffnungsvoll darauf setzt, dass mit dieser eine neue sinnstiftenden Erzählung entstehen werde, konstatierte Phil Langer zeitgleich, dass derzeit keine Orientierung in der Informationsflut möglich sei, da ein gemeinsames Narrativ fehle. Dies verweist darauf, dass die Frage, welche Deutungskonzepte sich durchsetzen nicht unabhängig von sozialer Macht, sowie unterschiedlichen Bedürfnislagen und Interessen gedacht werden kann. Knoblauch interpretiert die Corona-Krise als Konflikt zweier Raumkonfigurationen, nämlich der – derzeit typischerweise von Territorialregierungen und Experten favorisierten Container-Lösung tendenziell geschlossener Räume, die mit einem weitgehenden Verlust der Öffentlichkeit einhergehen und der eher bottom-up entwickelten Netzwerkstrukturen. (Zunächst werden abgegrenzte, detaillierte Teilprobleme gelöst, mit deren Hilfe dann größere, darüber liegende Probleme etc. Die einzelnen Teillösungen werden von „unten” nach „oben” zusammengesetzt, bis das Gesamtproblem gelöst ist.)
„Territoriale Räume folgen der Logik des Setzens und Ordnens mit klar gezogenen Grenzen und Einschränkungen der Vielfalt (nach innen). Demgegenüber folgen Netzwerkräume der Logik der Relationalisierung des Heterogenen. In Netzwerkräumen werden entfernte Elemente in Beziehung gesetzt und Unterschiede zwischen den Elementen sind die grundlegenden Merkmale.

Das Eigene und das Fremde

Das Virus ist uns fremd – und wir können nicht einmal sagen, ob es sich um „Leben“ handelt. Und doch ist es in der Lage uns zu infiltrieren – und diese mögliche Grenzüberschreitung knüpft an archaische Ängste an.
Dieses Fremde erscheint als gefährlich, es kann schwerwiegende Krankheitsverläufe hervorrufen, und weil das Virus hochansteckend ist, werden auch mögliche Überträger zur Gefahr. Damit gibt es gute Gründe, sich vor dem Anderen zu fürchten, und dieses schienen zunächst Menschen (und Tiere) aus der Fremde zu sein. Doch die Grenzschließungen schützen nicht, das Virus breitet sich aus, auch hierzulande, zunächst in sogenannten Hotspots, und mittlerweile flächendeckend. Damit kann ein jeder zum gefährlichen Anderen werden – eine Grundsituation, die Abgrenzung fördert und Misstrauen begünstigt.
Die Angst vor dem Anderen rührt nicht zuletzt daher, dass wir uns unserer Selbst nicht sicher sind. Hier lohnt sich ein Umdenken.
Reinhold Görling erinnert daran, dass auch wir Menschen schon immer in Gemeinschaft mit Viren leben und diese Interaktionen geradezu zu besseren Interaktionen mit der jeweiligen Umwelt beitragen kann.
Das Covid19-Virus ist demnach kein Außen, es ist ein anderes in uns, das uns nicht guttut, das wir uns aber auch nicht einfach gegenüberstellen können.
Wir müssen uns selbst verändern, unser soziales Verhalten, unser bewusstes Denken, aber auch das Wissen unseres Körpers.
Statt von unabhängig gedachten Organismen auszugehen, die wechselseitig füreinander lediglich Umwelt darstellen und gegen die wir uns jeweils immunisieren können, ist es sinnvoll, von einem immer schon ineinander verwobenen, emergenten Geschehen her denken zu lernen.
Wir müssen lernen mit dem Virus zu leben, statt gegen ihn zu agieren. So paradox das auch klingen mag: wir leben in Gemeinschaft mit dem Virus, wir müssen Gemeinschaften mit ihm bilden.
Wenn wir uns das Geschehen einmal so versuchen zu denken, dass es uns Hoffnung und Anstoß gibt, wie könnte sich das formulieren? „Vielleicht war der Virus nur ein Sendbote aus der Zukunft. Seine drastische Botschaft lautet: Die menschliche Zivilisation ist zu dicht, zu schnell, zu überhitzt geworden. Sie rast zu sehr in eine Richtung in der es keine Zukunft gibt.“ Anders formuliert: Wir stehen gegenwärtig vor der Aufgabe, uns vermehrt Schutzräume vor übergriffig werdenden gesellschaftlichen Anforderungen zu schaffen, um unsere Naturbasis – die eigene wie die der uns nährenden Umwelt – zu erhalten. Insofern steht die Neuaushandlung des Verhältnisses von Nähe und Distanz auf der Tagesordnung. Sie steht dann aber nicht im Dienst sozialer Kontrolle, sondern der Stärkung von Autonomie und Partizipation. Sie orientiert sich nicht auf einen „homo clausus“ zu, sondern auf einen homo integrus, und sie ist untrennbar verbunden mit dem Abbau sozialer Distanz innerhalb der Gesellschaft und zwischen Gesellschaften.
Deshalb die ganz wichtige Frage: Wie können wir reifen statt wachsen?
Wir zerstören unsere Erde, weil wir gegenwartsversessen und zukunftsvergessen sind.

Viele Kinder und Jugendliche beginnen, uns zu durchschauen und sich gegen den Verbrennungswahn gegen unsere Pyromanie, zu wehren. Die rasche solare Energiewende ist zur Überlebensfrage der Menschheit geworden. Wir brauchen laut Dalai Lama eine Weltrevolution des Mitgefühls. Die letzte entscheidende Frage lautet: Wie bekommen wir den wirklichen Wandel?
Nicht mit Angst, sondern mit positiv besetzten Emotionen wie Mitgefühl und Achtsamkeit. Die Technik allein wird uns nicht retten, wir brauchen eine Spiritualität, die in Verbindung steht mit unserem Urgrund, der uns trägt, und uns dahingehend führt, dass wir diesen Urgrund und damit ja auch uns selbst schützen und wiedererstarken lassen wollen.
Wir brauchen einen Neuen Gott, der unser aller Akzeptanz findet. Denn Gott ist geistige Energie – die Sonne hinter der Sonne.

Die Klimaerhitzung ist ein Weltkrieg gegen die Natur und das betrifft alle Länder. Wir werden unterscheiden lernen müssen zwischen Kriegsflüchtlingen und Flüchtlingen, die durch den Klimawandel von uns zur Flucht gezwungen wurden. Danach gibt es kein zurück.
Mit den Urwäldern stirbt nicht nur die Idee einer beseelten Natur, in der alles mit allem zusammenhängt, sondern wir zerstören sogar unsere eigenen Lebensgrundlagen. Wir Menschen sind vom Klima abhängig und unser vernetztes Denken ruft uns in ein Verantwortungsbewusstsein für das Weltganze.
Franz Alt postuliert seit Jahren:
Klimaschutz ist möglich.
Nachhaltiges Wirtschaften ist möglich.
Gerechtigkeit ist möglich.
Frieden ist möglich.
Mitgefühl ist möglich.
Liebe ist möglich.
Eine bessere Welt ist möglich.
Menschen sind grundsätzlich in der Lage, sich zu ändern und zu wandeln. Unser Gehirn kann, so wie wir einmal Radfahren, Schwimmen oder Autofahren gelernt haben, dazu lernen.
Menschen können lernen, wenn sie nur wollen.
Unser Wille ist zwar oft blind, aber blöd ist er nicht. Wir können unseren Willen trainieren, wie einen Muskel.
Nur deshalb ist im Laufe der Geschichte scheinbar Unmögliches immer wieder möglich geworden.
Wir sollten endlich tun, was wir für richtig halten. Einfacher leben, damit andere einfach überleben.
Die Weltrevolution des Mitgefühls kann dabei eine große, vielleicht sogar die entscheidende Hilfe sein. Die Zeit scheint gerade jetzt dafür reif zu sein. Die Menschen – ob jung, ob alt, - scheinen dafür offen. Unsere Zukunft hängt davon ab, was wir heute tun. Wer hindert uns daran, damit anzufangen, wenn nicht wir selber? Eine bessere Welt beginnt beim einzelnen Menschen.

Wenn wir nicht lernen, dass die Gesundheit des Waldes unsere eigene Gesundheit ist, droht die Gefahr, dass wir verschwinden.
Wir entscheiden, ob wir ressourcenschonend bauen oder ressourcenvernichtend, ob wir uns umweltbewusst fortbewegen oder klimazerstörend, ob wir uns ressourcenvernichtend ernähren oder aus biologischer Landwirtschaft, ob wir Öko-Energie nutzen oder fossil-atomare.

Ökoprozesse sind Liebesprozesse

Alles Leben ist beseelt und das Leben ist keine Maschine. Natur ist ein Raum der Verwandlung und der Begegnung, ein Seelenraum. Wir teilen den Atem des Lebens mit allen Tieren und allen Pflanzen und allen Bäumen und mit allen Menschen aller Zeiten. Grundvoraussetzung für ein freiheitlich-kreatives Leben ist, dass die Menschenrechte geachtet werden, aber auch eine intakte Natur. Die wirtschaftliche Freiheit in einer ökosozialen Marktwirtschaft hängt immer mit allen anderen Freiheiten zusammen. Es geht darum, unser Denken aus alten Strukturen zu befreien und zu transformieren. Wie werden wir Teil der Lösung?

24. Januar 2021 / Joachim Armbrust / Aktuelles / Einblicke