Resonanz als Lebenselixier und Katalysator

Resonanz ist eine Form der Beziehung, die über den bloßen Kontakt oder die Interaktion hinausgeht. Resonanz ist für mich die Erfahrung eines tiefen, wechselseitigen, lebendigen Austauschs zwischen dem einzelnen Menschen(wesen) und der Welt. In diesem Zustand fühlt sich der Mensch nicht nur „angestoßen“ oder „berührt“, sondern er erfährt eine aktive Verbindung mit der Welt, die ihn oder sie ausfüllt und verändert. Es geht also nicht nur darum, passiv zu reagieren, sondern auch darum, auf die Welt so zu reagieren, dass sie auch auf uns reagiert. Bin ich mit der Welt in Resonanz und die Welt mit mir, dann fühlen wir uns verbunden, es entsteht ein gemeinschaftlich gestalteter Resonanzraum. Es entstehen schöpferische, dialogisch-prozessuale Qualitäten und damit auch Spiegelungsnuancen, aber auch aufsteigende Energiefelder, die über das hinausführen, was die Dialogpartner schon sind. Es gestaltet sich ein Prozess in Gegenwärtigkeit. Prozesse führen in der Gegenwärtigkeit schon deshalb in die Zukunft, weil sie Zukunft gestalten.

Ich unterscheide zwischen Resonanz als Qualität einerseits und der traditionellen Vorstellung von einer rein instrumentellen (sachorientierten, funktionsgesteuerten) Beziehung zur Welt andererseits, die von Kontrolle und Beherrschung, aber auch von Nutzen und Zugewinn geprägt ist, die in Funktionsrollen oder Schubladen wahrgenommen wird und dementsprechend im eigenen oder fremd gesetzten Interesse eingesetzt wird.

In einer resonanten Beziehung zur Welt erleben wir eine Art von Echtheit und Authentizität, in der die Welt nicht nur als Objekt oder als Ressource erscheint, sondern als etwas, mit dem wir in einer wechselseitigen Wechselbeziehung stehen und das in der Gegenwärtigkeit der Begegnung etwas entzünden kann, was uns aus der Zukunft ruft, mit dem Auftrag, es in der Gegenwärtigkeit zu leben und zu gestalten. Dabei handelt es sich im Grunde um eine wahrnehmungssensible Aushandelspartnerschaft, die sich gegenseitig anstößt, verlangsamt, vertieft oder erweitert und dabei auch weiterentwickelt. Wer sich darauf versteht ist nach Hartmut Rosa resonanzsensibel.

Hartmut Rosa plädiert dafür, den Mechanismen der Beschleunigung, Rationalisierung und Konkurrenzorientierung entgegenzuwirken, um Resonanz wieder möglich zu machen. Dies geschieht durch bewusste Entschleunigung, sinnstiftende Tätigkeiten, Pflege sozialer Beziehungen, reflektiertes Arbeiten, Naturerfahrungen, wahrhaftiges begegnen in Zeitlosigkeit und politisches Engagement. Für Rosa ist es entscheidend, dass Menschen nicht nur versuchen, ihre Lebensqualität zu verbessern, sondern aktiv Resonanzräume zu schaffen – Räume, in denen echte, bedeutungsvolle Begegnungen mit der Welt möglich sind.

Prozesse entstehen aus ehrlichem Interesse am Anderen, an seinen Sichtweisen, an seinen Wesensarten, an seiner Art Welt zu denken und zu fühlen bei gleichzeitiger Klarheit über die eigene Haltung. Daraus entsteht nicht nur ein Miteinander, sondern auch die Gelegenheit, das eigene Selbstverständnis in neuem Licht zu sehen. Das genieße ich in jeder Begegnung, in jedem aufeinander Bezogen Sein, in jedem entstehenden Resonanzfeld mit einem Gegenüber. Mich fasziniert es, wenn Worte lebendig werden, ins fließen kommen, eigene Realitäten schaffen, gerade auch zwischen den Zeilen. In Beziehungen kommt es immer auch zu Fließprozessen zueinander hin, voneinander weg und auch in gemeinsame Bewegungen. Aus gemeinsam gestellten Aufgaben steigen Bilder und Ideen auf, daraus wiederum steigt manchmal etwas Größeres auf, das über die ursprüngliche Fragestellung des „Begegnung suchenden“ hinaus geht und nicht selten Blickwinkel und Perspektiven eröffnet, die weit über die kurzfristige Zukunft hinaus reichen, als vorweggegriffene Antworten, Innenschauen mit konzeptionierten Vorausgestaltcharakter. Es entsteht ein Raum lebendiger Kommunikation. Ein Ort an dem ich selbst und der Andere bewegt werden, von Worten, Energien, Klängen, Atmosphären, Schwingungen und Perspektiven, die nicht einfach so aus mir selbst kommen, sondern sich aus dem Begegnungsraum heraus eröffnen und ergeben. So bin ich in Beziehung mit mir, mit anderen und mit etwas, das über uns hinausreicht, nämlich mit Gott, als der Schöpferkraft, die in der Gegenwärtigkeit in Jetzt-Zeit Antworten gestaltet, die uns aus der Zukunft schon unsichtbar gerufen haben. Sterne leuchten auf und fühlen sich an, wie unschuldige, unverbrauchte, Hoffnung und Frieden bringende, Morgensterne. Ringen und Suchen gehören dazu, Loslassen, Boden frei geben und Urknall, Veränderung und Stille, Wort und Bewegt Sein, Raum und Energie, Schwingen und Klingen, freischwebende und doch zusammenführende Resonanzräume. Raum, Worte, Menschen, alles ist miteinander verwoben. Unterschiedliche Blicke eröffnen verschiedene Perspektiven aufs Leben. Woher kommst du? Wohin gehst du? Was trägt dich? Sieh hin. Hör zu. Was bleibt. Ein schwimmender und schwebender Boden erhebt sich aus der sich findenden Begegnung und eröffnet neue Räume, neue Gedanken, neue Fühlqualitäten, die gleichzeitig auf höherer Ebene Antworten beinhalten auf unsere Fragen und unsere angestauten Nöte. Es ist faszinierend zu entdecken, wie der individuelle Geist zur Energie und Kraft eines Kollektivs beiträgt und es über seine - bisher schon wahrgenommene, durchschrittene Realität hinaushebt. Jede/r Anwesende beeinflusst maßgeblich die atmosphärischen Bewegungen mit, die entstehen. Jede Begegnung ist eine Art Bühne, auf der Unbekanntes und noch Unerforschtes entsteht. In Momenten der Begegnung erfahren und entwickeln wir unsere Welterfahrung weiter und gestalten die Welt neu. Aus den gemeinsam erlebten und gestalteten Erfahrungsräumen entstehen Deutungsspielräume und damit deutungsoffene Prozesse. Die das „Noch-nichtErkannte“ ins Licht bringen. Das ist spannend, inspirierend und zellöffnend. In diesem Raum findet Heilung statt und nirgendwo sonst.

Hierbei lassen sich ganz unterschiedliche Dimensionen von Resonanz ergründen:

Resonanz in zwischenmenschlichen Beziehungen

Resonanz entsteht in Beziehungen, die von einer tiefen Verbindung zwischen den agierenden Menschen geprägt ist, die nicht nur auf oberflächliche Interaktionen reduziert ist. Eine solche Verbindung ist von Vertrauen, Empathie und authentischer Kommunikation gefärbt und gestaltet sich im besten Fall konsensual. Diese Form der Resonanz ist zentral für soziale Bindungen, Freundschaften und Partnerschaften. Sich wiederholende Resonanz mündet in das, was wir Bindung nennen.

Resonanz mit der Welt

Resonanz umfasst auch die Beziehung des Individuums zu seiner Umwelt, zu Dingen, zur Natur und zu der Gesellschaft als Ganzes. In diesem Zusammenhang betont Hartmut Rosa, dass wir als Individuen in der modernen Welt häufig von einer „resonanten Beziehung“ zur Umwelt abgeschnitten sind, was zu einem Gefühl der Entfremdung führen kann und damit auch zur Verantwortungslosigkeit gegenüber unserem Lebensgrund. Resonanz ist hier der Zustand, in dem wir uns aktiv und lebendig mit unserer Welt verbunden fühlen und deshalb auch mit ihr mitfühlen und sie mit all unserer Unzulänglichkeit, die wir mitbringen, doch auch berücksichtigen wollen.

Resonanz in der Arbeit und im Alltag

Es geht aber nicht nur um persönliche Beziehungen, sondern auch um das, was wir tun – um Arbeit und Kreativität. In der modernen Gesellschaft, die von Beschleunigung und Effizienz geprägt ist, sind viele Menschen in einem Zustand der Desensibilisierung oder der „Nicht-Resonanz“, was zu einem Gefühl der Leere oder Entfremdung führen kann. Resonanz dagegen ist der Zustand, in dem Menschen das Gefühl haben, dass ihre Arbeit und ihr Engagement wirklich etwas bewirken und in Verbindung mit einer größeren Bedeutung stehen. Außerdem ist der Zustand davon geprägt, sich selbstwirksam zu erleben und sich schöpferisch einbringen zu können, also gehört zu werden und mitgestalten zu können. Das wiederum ermöglicht sinnstiftende Identifikation.

Resonanz als ästhetische Erfahrung

Auch Kunst und ästhetische Erlebnisse können Resonanz hervorrufen, wenn sie uns nicht nur intellektuell ansprechen, sondern uns emotional und existenziell berühren. In der Kunst geht es nicht um einen bloßen Konsum von Inhalten, sondern um eine tiefere Erfahrung und das Gefühl, dass das Kunstwerk auf uns „antwortet“ und etwas in uns auslöst, ja im besten Sinne in uns vielleicht sogar etwas initiiert und uns verändert. In solchen gelingenden Resonanzmomenten fühlt sich unsere Seele berührt und öffnet sich für den Eindruck, um sich vielleicht sogar in das Kunstwerk hinein zu verschenken.

Resonanz und Entfremdung

In der modernen, technologisierten Welt, die von Geschwindigkeit, Effizienz und Kontrolle geprägt ist, haben viele Menschen das Gefühl, von der Welt entfremdet zu sein. Sie erleben die Welt nicht mehr als resonant, sondern als etwas, das sie beherrschen, manipulieren oder optimieren oder dem sie ungeachtet Ihrer EigenRhythmen oder Selbstgestaltungswünsche zuarbeiten müssen. Dies führt zu einer Krise der Resonanz, in der Menschen die Verbindung zur Welt verlieren und zunehmend ein Gefühl der Leere oder der Sinnlosigkeit erfahren. In vielen modernen Gesellschaften erleben Menschen ihre Arbeit als entleert, als nicht mehr resonant, weil sie sich häufig als bloße Zahnräder in einem riesigen Maschinenrad sehen und keinen direkten Bezug zu den Auswirkungen ihrer Arbeit auf das Leben anderer Menschen haben. Es fehlt die Sinnstiftung und oftmals auch der schöpferische Spielraum. Auch die Überflutung mit Informationen und der ständige Druck zur Beschleunigung tragen dazu bei, dass wir das Gefühl verlieren, in Resonanz mit der Welt zu sein. Resonanz könnte also auch als Gegenentwurf zur Beschleunigung gesehen werden. Die moderne Gesellschaft gerät durch den ständigen Drang nach schnellerer Effizienz und Produktivität immer mehr aus dem Gleichgewicht. Die Folge ist, dass Menschen das Gefühl haben, immer weniger Kontrolle über ihr Leben zu haben und weniger Raum für tiefere Erfahrungen der Resonanz zu finden. Resonanz stellt für mich die zentrale Antwort auf diese Beschleunigung dar. Es geht dabei um eine Verlangsamung, ein Innehalten und eine bewusste Entscheidung, mit der Welt und den Menschen auf eine tiefere, mehr empathische und bedeutungsvollere Weise zu interagieren, miteinander „in Schwingung“ zu geraten. „Wir sind Energie“. Wenn Energie mit der Welt resoniert, klingen die verschiedenen Wirklichkeiten miteinander und im Klingen bringen sie sich gegenseitig ins Schwingen. Wer miteinander schwingt, fühlt sich verbunden, empfindet sich sogar als „Eins“. Das Konzept der Resonanz ist letztendlich eine Antwort auf die Entfremdung und die Krise der modernen Welt, die durch die Beschleunigung von Zeit, Kommunikation und sozialen Prozessen geprägt ist. Resonanz beschreibt eine tiefere, wechselseitige Beziehung zwischen dem Individuum und seiner Welt, in der nicht nur der Mensch die Welt prägt, sondern die Welt auch den Menschen prägt. Diese Resonanz ist ein zentrales Element für das Gefühl von Bedeutung, Selbstwert, Verbundenheit und Lebensqualität. In einer Welt, die zunehmend von Entfremdung und Geschwindigkeit geprägt ist, bietet Resonanz eine Möglichkeit, wieder in einen lebendigen, aktiven Austausch mit der Welt zu treten und sich als Teil der Welt wahrzunehmen. Die Welt geht uns dann wieder etwas an, sie berührt uns, sie bewegt uns und sie erregt uns und wir umgekehrt die Welt. Wir nehmen uns also gegenseitig wahr, wir spüren uns, zwischen uns entsteht Energie, Beziehung, Bewegung miteinander oder gegeneinander, wir stoßen uns an und wir tarieren uns aus. Wir lernen wieder berührbar zu werden und zu spüren wie es uns geht. Wir gehen uns wieder etwas an und wir sind verantwortlich füreinander. Wir erleben uns im sinnlichresonierenden Sinne als Teil der Welt.

Resonanz in der Psychologie

Das Konzept der Resonanz in der Psychologie und Philosophie ist besonders interessant, weil es weit über das rein Physikalische hinausgeht und tief in das menschliche Erleben und die Kommunikation eindringt. Resonanz beschreibt hier eine Art von „emotionaler oder intellektueller Harmonie“, bei der etwas mit uns in Einklang tritt, sodass wir darauf reagieren, als ob es eine tiefere Bedeutung oder Wahrheit enthält.

In der Psychologie wird Resonanz oft verwendet, um die emotionale Reaktion auf bestimmte Ereignisse, Erlebnisse oder zwischenmenschliche Begegnungen zu beschreiben. Wenn etwas mit uns „resoniert“, bedeutet das, dass es in uns etwas anstößt, das tief verwurzelt ist – sei es ein bestimmtes Gefühl, eine Erinnerung oder ein unbewusstes Bedürfnis. Es gibt verschiedene Dimensionen, in denen Resonanz eine Rolle spielt. Resonanz kann sich bis zur Initialzündung, die Welt neu zu betrachten, eine neue Perspektive plötzlich als Wirklichkeit zu erleben oder sich aus einem Raum der bisher fremd bzw. unbeschrieben war, auf neue Weise handelnd zu erleben, ausweiten.

1. Resonanz in zwischenmenschlichen Beziehungen

Ein wichtiger Aspekt der Resonanz in der Psychologie ist, wie wir auf andere Menschen reagieren. Bestimmte Verhaltensweisen, Worte oder Gesten können bei uns starke emotionale Reaktionen hervorrufen, weil sie mit unseren eigenen Erfahrungen oder Gefühlen übereinstimmen. In der Psychotherapie, insbesondere in der Bindungstheorie, wird Resonanz oft als ein Schlüsselmechanismus verstanden, durch den sich Menschen miteinander verbinden. Wenn jemand in einer Beziehung auf eine Weise reagiert, die uns „anspricht“, kann das eine tiefe emotionale Reaktion hervorrufen, die zu einem Gefühl der Nähe, des Verständnisses oder der Heilung führt. Aber auch erfahrene Dissonanz kann verbinden. Resonanz ermöglicht fühlbar, dass wir uns nicht alleingelassen fühlen, sondern mitfühlende Zeugenschaft erfahren, manchmal in Begebenheiten die einmal sehr belastend waren und ungesehen blieben.

2. Selbstresonanz und die Bedeutung von Werten

Resonanz kann auch ein Zeichen dafür sein, dass etwas mit den eigenen inneren Werten oder der persönlichen Identität im Einklang steht. Etwas, das mit den eigenen Überzeugungen oder Wünschen übereinstimmt, „resoniert“ mit dem Selbst. Dies ist oft der Fall, wenn Menschen sich in bestimmten sozialen oder kulturellen Kontexten zugehörig fühlen oder wenn sie auf eine Idee oder Philosophie stoßen, die ein Gefühl der Authentizität oder der inneren Kohärenz erzeugt. Dahinter stehen oft Haltungen oder Sichtweisen auf bestimmte menschliche Themen und Prozesse.

3. Resonanz in der Verarbeitung von Traumata

In der Traumabewältigung oder in der Psychotherapie allgemein kann Resonanz auch ein wichtiger Mechanismus sein. Es kann Momente geben, in denen Menschen auf Geschichten oder Erfahrungen anderer so stark reagieren, dass sie ihre eigenen traumatischen Erlebnisse wiedererkennen oder verarbeiten. Diese Resonanz auf die Erfahrungen anderer kann ein Katalysator für Heilung sein, weil sie das Gefühl gibt, nicht allein zu sein und dass andere ähnliche Schmerzen erlebt und möglicherweise sogar bestanden haben. So erfahren als Supervisor eines Kriseninterventionsteams, in dem viele der Ehrenamtlichen selbst schwere traumatische Hintergründe hatten. Auch in therapeutischen Gruppen trifft man genau auf dieses beschriebenen Phänomen.

Resonanz in der Philosophie

In der Philosophie hat Resonanz eine eher metaphorische Bedeutung, die oft mit Echtheit, Bedeutung und Erkenntnis verbunden ist. Der Begriff wird verwendet, um die Idee zu beschreiben, dass eine philosophische Wahrheit oder Idee nicht nur verstanden, sondern auch tief empfunden oder erfahren werden muss. Resonanz in der Philosophie kann somit als ein Hinweis darauf verstanden werden, dass eine Idee oder eine Wahrheit mit dem inneren Verständnis des Menschen im Einklang steht.

1. Resonanz als Grundprinzip der Erkenntnis

In der Philosophie, insbesondere im Existentialismus und in der Phänomenologie, kann Resonanz als ein Weg verstanden werden, wie Menschen eine tiefere Verbindung zur Welt und zu sich selbst erfahren. Ein Beispiel ist die Philosophie von Martin Heidegger, der das Konzept des „In-der-Welt-Seins“ betont. Für ihn ist die Resonanz zwischen einem Menschen und seiner Welt ein entscheidender Aspekt des Lebens – nicht nur im intellektuellen, sondern auch im existenziellen Sinn. Resonanz beschreibt hier das Erleben der Welt, das als tief miteinander verknüpft und nicht nur als abstrahierte, objektive Realität erfahren wird.

2. Resonanz als Verbindung von Individuen und der Welt

Der deutsche Philosoph Hans-Georg Gadamer hat den Begriff der Resonanz in seiner Hermeneutik verwendet, um zu erklären, wie Dialog und Kommunikation als Prozess des gegenseitigen Verstehens funktionieren. Resonanz ist für Gadamer ein zentrales Element in der „Verstehensbewegung“, die nicht nur durch Worte, sondern auch durch eine tiefere empathische Verbindung zwischen den Gesprächspartnern entsteht. Ein Dialog kann nur dann erfolgreich sein, wenn er mit einer Resonanz im Inneren der Gesprächspartner verbunden ist, wenn beide ihre „inneren Stimmen“ wirklich hören und aufeinander eingehen.

3. Resonanz in der Ästhetik

In der Ästhetik der Philosophie, insbesondere bei Denkern wie Theodor W. Adorno und Martha Nussbaum zum Beispiel, wird Resonanz oft verwendet, um zu beschreiben, wie Kunst und Schönheit in uns eine starke emotionale oder intellektuelle Reaktion hervorrufen. Eine Kunstform, die „resoniert“, geht über das bloße Verstehen oder Betrachten hinaus – sie spricht uns auf einer tieferen Ebene an, aktiviert emotionale oder kognitive Prozesse, die uns dazu bringen, uns selbst und die Welt um uns herum anders zu verstehen.

4. Resonanz und ethische Verantwortung

In der Ethik kann Resonanz auch eine Rolle spielen, indem sie das Verständnis von Verantwortung und zwischenmenschlichem Mitgefühl vertieft. Eine ethische Handlung kann als resonant beschrieben werden, wenn sie aus einem tiefen Verständnis der Verbindung zwischen dem Handelnden und dem anderen Menschen hervorgeht. Resonanz hier ist der Moment, in dem wir uns mit dem Leid eines anderen identifizieren und daher Verantwortung übernehmen, weil wir die gemeinsame Menschlichkeit spüren.

Resonanz in der Psychologie und Philosophie verweist auf ein tiefes, oft unbewusstes Erleben von Kohärenz und Verbindung – sei es mit anderen Menschen, mit eigenen Werten oder mit größeren, universellen Wahrheiten. Sie ist nicht nur eine intellektuelle Reaktion, sondern ein ganzheitliches, räumliches Erleben, das uns hilft, uns selbst und die Welt um uns herum in ihrer Tiefe zu verstehen und zu erfahren und somit auch als gleichwürdig zu empfinden. Sie spielt eine zentrale Rolle in zwischenmenschlichen Beziehungen, der Bewältigung von Traumata, der Kunst und der Philosophie – und ist eine Quelle der Verbindung, die sowohl auf individueller als auch auf kollektiver Ebene Bedeutung hat.

Die Menschheit wird von der Zukunft her in eine neu zu gestaltende Gegenwärtigkeit gerufen, anstelle von Welterweiterung im Sinne von mehr, reicher, weiter besser, geht es darum, Resonanzfähigkeit zu entwickeln. Jede/r nimmt jede/n wahr und berücksichtigt ihn/sie in seinem Handeln, in seinem Denken, die Welt natürlich miteingeschlossen. Denn Welterweiterung als solche ist nicht unbedingt ein Weg zu mehr Lebensqualität oder zu einem tieferen, erfüllten Dasein. Wir sollten die Orientierung an Wachstum und Quantität viel mehr in Frage stellen und unsere Resonanzfähigkeit und die Qualität unserer Beziehungen zur Welt und zu anderen Menschen viel mehr in den Vordergrund stellen, anstatt immer nur nach mehr zu streben. Wer ein Augenmerk auf die Qualität der Beziehungen richtet, nimmt auch die Auswirkungen war, die von bestimmten (Nicht-) Beziehungsqualitäten ausgehen. Mit der wiedererwachten Resonanz spüren wir auch wieder die Wirkungen und Auswirkungen.

In seiner Kritik an der modernen Gesellschaft, die durch eine Beschleunigung der Zeit und eine Kultur des unaufhörlichen Wachstums geprägt ist, stellt Hartmut Rosa den grundlegenden Unterschied zwischen „Welterweiterung“ im klassischen Sinne (mehr Konsum, mehr Mobilität, mehr Reichtum, mehr Fortschritt) und der Idee einer Resonanzfähigkeit, „die jede Zelle zum Lächeln bringt“ heraus. Er sieht die stetige Erweiterung der Welt im Sinne von mehr Dingen, mehr Wissen oder mehr Aktivitäten als eine illusorische Lösung, die nicht zu tieferer Erfüllung führt. In meiner Arbeit benutze ich oft das Bild, von Zellkindern, die in uns wohnen und die sich je nachdem, welche Haltung wir zu ihnen einnehmen, ob wir fürsorglich sind, abweisend, fordernd, eher lächeln, tanzen oder traurig sind und schmollen.

1. Beschleunigung und Entfremdung

Rosa argumentiert, dass die ständige Erweiterung der Welt und die damit verbundene Beschleunigung eine Entfremdung von der Welt und von uns selbst zur Folge haben. Der Fokus auf immer mehr – sei es in Bezug auf Konsum, Arbeit oder Wissen – führt dazu, dass wir uns zunehmend von der qualitativen Dimension des Lebens entfernen und tatsächlich glauben, dass es nützt uns, wenn wir die Welt quantitativ messen. Die Welt wird zunehmend als etwas zu beherrschendes, zu optimierendes Objekt wahrgenommen, und wir verlieren die Fähigkeit, auf tiefere, resonante Weise mit ihr in Kontakt zu treten.

Die Idee von mehr und besser ist in diesem Kontext eine Art „Flucht nach vorne“, die letztlich keine wahre Verbindung zur Welt schafft, sondern nur eine ständige Ablenkung von den wirklich tiefgehenden und bedeutungsvollen Erfahrungen bewirkt. Sie verhindert auch, wahrzunehmen, was ist und darauf adäquat zu reagieren. Diese Idee macht uns kopflos, ohne inneren Stand von dem aus wir bewerten und entrückt uns der Wahrnehmung natürlicher, fragiler Zusammenhänge.

2. Resonanzfähigkeit als Gegenpol

Statt nach „mehr“ zu streben, schlägt Rosa vor, unsere Resonanzfähigkeit zu entwickeln und zu fördern. Resonanz bedeutet, dass wir uns auf eine tiefere, authentische Weise mit der Welt verbinden, dass wir nicht nur mit Dingen umgehen oder sie verändern, sondern auch von ihnen verändert werden. Resonanz ist also ein Prozess der gegenseitigen Beeinflussung und des Austauschs zwischen dem Individuum und seiner Umwelt, der nicht auf Wachstum, Vermehrung oder Expansion abzielt, sondern auf ein echtes, lebendiges Erleben und Verstehen. Dazu gehört auch nachklingen lassen, selbst resonierend reifen lassen - geduldig abwartend, bis potentielle Handlungsgestalten oder zukunftsfähige Antworten aus dem eigenen Bewusstseinsraum aufscheinen. Resonanz schafft auch Bewusstsein und Erkennen, dass Nicht-Resonanz uns auch zum Täter werden lassen kann. Wer nichts fühlt und nichts spürt, kann ja auch in seinem Handeln nichts mitberücksichtigen oder vorausschauend einbeziehen.

Das bedeutet, dass wir lernen müssen, die Welt zu erleben und zu verstehen, nicht in einer Weise, die uns immer weitertreibt und überfordert, sondern indem wir uns mit ihr harmonisch und achtsam, auf gegenseitige Achtung und Ausgleich bedacht, verbinden. Resonanz hat hier nichts mit der schieren Menge an Erfahrungen oder „Erweiterungen“ zu tun, sondern mit der Qualität der Beziehungen, die wir zur Welt und zu anderen Menschen aufbauen. Statt immer neue Bereiche der Welt zu erschließen, geht es darum, mehr Tiefe, mehr Aufmerksamkeit und mehr Resonanzfähigkeit in das, was wir bereits haben, zu investieren.

Resonanz als „Antwort“ der Welt

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass Resonanz nicht nur von uns ausgeht, sondern auch die Welt aktiv auf uns reagiert. Resonanz ist also eine wechselseitige Beziehung, bei der die Welt uns als lebendig und bedeutungsvoll erscheint. Es geht nicht um eine rein egozentrische Welterweiterung, sondern um das Erleben einer aktiven, wechselseitigen Wechselbeziehung mit der Welt. Die Welt antwortet auf unsere Handlungen und Gedanken und gibt uns auf diese Weise Antworten und Rückmeldungen, die unser Leben bereichern und verändern können. Sie reagiert auf uns und auf das, was wir bewegen.

In dieser Perspektive ist das Streben nach mehr und weiter nicht das Ziel, sondern das Verlangen nach einer tieferen, ehrlicheren Resonanz mit dem, was bereits existiert. Das bedeutet, dass wir in der heutigen Welt, die von einer Kultur des Wachstums und der Expansion geprägt ist, unsere Haltung und Perspektive verändern müssen. Statt nach mehr zu streben, sollten wir uns fragen: „Wie können wir die vorhandenen Verbindungen zu uns und der Welt vertiefen und die verschiedenen Bewegungen des „anderen“ mit einbeziehen und berücksichtigen Lernen, um sie im besten Sinne stärken?“ „Wie können wir entstehenden Ungleichgewichten ausgleichend entgegenwirken?“

Resonanz in der Praxis bedeutet Verlangsamung und Achtsamkeit

In der Praxis schlägt Rosa vor, dass wir unsere Aufmerksamkeit nicht mehr nur auf das quantitative Wachstum richten, sondern auf das Erleben von Resonanz in unserem Leben. Das bedeutet, dass wir Verlangsamung üben, achtsam sind und uns bewusst auf die Dinge einlassen, die uns wirklich berühren und mit denen wir uns tief verbunden fühlen. Die Resonanzfähigkeit ist ein aktiver Prozess, der Raum für intensivere und tiefere Erfahrungen schafft, statt in einer Welt zu leben, die uns mit ständiger Geschwindigkeit und Ablenkung überfordert und ganz nebenbei durch unsere Nicht-Wahrnehmung und Nicht-Beachtung zugrunde geht.

Sofern Sie, lieber Leser, liebe Leserin, Resonanz mit diesen Gedanken, Gefühls- und Denkarchitekturen verspüren, haben Sie ja vielleicht auch erkannt, dass Psychotherapie eine Möglichkeit sein kann, für sich einen Lernraum zu schaffen, um wieder resonanzsensibler zu werden. Das wiederum führt zu mehr Nachhaltigkeit und Resilienz im Umgang mit uns selbst, aber auch im Hinblick auf unseren Lebensgrund, die Erde.

30. April 2025 / Joachim Armbrust / Aktuelles / Psychotherapie