Psychotherapie als Hilfe zum Selbstdialog und zur fruchtbaren Auseinandersetzung mit innerer und äußerer Wirklichkeit

Gedanken, die meine Arbeit und mein Selbstverständnis bei der Arbeit erhellen helfen.

Ich begreife mich jeden Tag neu als neugierig Forschender, verbunden mit den Menschen, die mir begegnen, - in Wertschätzung, Achtung, Liebe und Respekt.

Aus meiner Sicht unterstützt Psychotherapie Menschen darin, sich ihrer selbst bewusster zu werden, Selbst-Bewusstheit und Selbstbewusstsein zu entwickeln.

Dabei verstehe ich unter Selbst-Bewusstheit die spezifische Fähigkeit,…

  • über sich selbst
  • das eigene Verhalten
  • die eigenen Gefühle
  • Körperempfindungen, Interessen, Wünsche, Absichten, Ziele, Glaubenssätze,…
  • das eigene Denken
  • die eigenen Werte
  • die Diskrepanz zwischen gelebtem Leben und Vorstellungen/Ansprüchen/Wünschen

bewusst nachzudenken und „hinterher zu spüren“.

In wacher Aufmerksamkeit und ganz bewusst die eigenen, inneren Prozesse zuzulassen und wahrnehmen zu lernen, sowie sie zunächst so anzunehmen, wie sie sind und wie sie sich gestalten, ist für viele Menschen bereits eine große Herausforderung.

Meist nehmen wir zu unseren Empfindungen, Befindlichkeiten, Ahnungen oder Gefühlen gleich eine Haltung ein. Wir sind dafür oder dagegen und lassen damit unsere „innere Energie“ nicht mehr fließen.

Wir zwingen unsere Prozesse in die Vorstellungen, die wir bereits haben. Es zuzulassen, dass sie unseren Blickwinkel und unseren Gesichtskreis erweitern, macht uns Angst.

Selbst-Bewusstsein hat für mich etwas damit zu tun, davor keine Angst zu haben, sondern sich und dem Leben zu vertrauen. Darauf zu vertrauen, dass wir mit dem Neuen, das da auftaucht, einen Weg finden werden und somit das „Eindringen vom Noch-Fremden“ neugierig in Vertrautes verwandeln lernen. Wir nehmen die Herausforderung zuversichtlich an.

Veränderung und neue Lebensqualität setzen genau da an, wo wir zum wachen Beobachter unserer selbst werden und nicht gleich in eine Haltung oder in ein gerichtetes Verhältnis gegenüber uns selbst gehen.

Nur so ist ein Überwachsen der eigenen Struktur und der eigenen Muster möglich, durch diese kleinen schöpferischen Momente, die Neues ermöglichen.

Das klingt sehr einfach, ist aber durchaus etwas, wofür es Erfahrungsräume braucht, in denen wir es, manchmal im geschütztem Rahmen, lernen können.

Daneben sind wir eingebettet in Zeitgeistthemen und gesellschaftliche Lebenshaltungen, die uns Richtung vorgeben. Oft haben wir nicht den nötigen Abstand oder zu wenig Vergleichsmöglichkeiten, um zu erkennen, wie gesellschaftliche Kräfte auf uns einwirken und was entwickelte und vorgegebene Strukturen mit uns machen. Dabei ist es unsere Aufgabe, einen für uns gesunden und befriedigenden Umgang zu lernen, die eigenen, individuellen Bedürfnisse und die gesellschaftlichen Angebots- und Anforderungshülsen abzugleichen und unsere ganz eigenen kreativen Lebenslösungen zu finden.

Psychotherapeutische Begleiter/innen erhalten Einblick in viele persönlich erlebte und gestaltete Lebenszusammenhänge. Sie sind durch Ihre Nähe, zu dem, was Menschen bewegt, auch nah am Puls der Zeit und können so die allgemeinen Auswirkungen von gelebter und vermittelter Gesellschaft erkennen. Sie können durch ihr breites Erfahrungswissen hier dem/der Einzelnen, der/die sucht und/oder leidet Erkenntnisräume und Entwicklungswege öffnen helfen.

Abschließende Verdichtung der Überlegungen, Quintessenz:

Wir bewegen uns zwischen einem Außen und einem Innen und die beiden „Bereiche“ stehen in einem dialektischen Verhältnis zueinander, sie berühren sich und bewegen sich gegenseitig.

Als Individuum in der Gemeinschaft seinen Platz zu finden, der Gemeinschaft zuzutragen, ihre Anforderungen annehmen oder verwandeln zu lernen auf dem Hintergrund eigener Werte und Wünsche, um sich ganz persönlich am Ende zufrieden und erfüllt zu fühlen, ist keine Zauberei, aber durchaus mit innerer Arbeit verbunden. In diesen beschriebenen Prozessen kann Psychotherapie unterstützend mitwirken.

„Wie finde ich hier und jetzt eine für mich überzeugende und befriedigende Lebensgestalt, deren Verwirklichung mich stärkt und mich meiner selbst im guten Sinne bewusst und hinreichend erfüllt sein lässt“, ist hier die untergründig mitschwingende Fragestellung.

26. September 2016 / Joachim Armbrust / Einblicke