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Ängste erleben, Ängste bestehen - Artikel über Kinderängste in SALVE

Ängste erleben, Ängste bestehen
Über die kindliche Angst gerade auch in angstvollen Zeiten

Autor: Joachim Armbrust
In: SALVE - Der Gesundheitsgruß Nr. 36, Sommerausgabe 2022

16. Juli 2022 / Joachim Armbrust / Aktuelles / Artikel


Sandra Rose - Wer dem Herzen folgt, wird niemals vom Weg abkommen (Naturscheck)

Artikel im Naturscheck, Sommer 2022, von Sandra Rose, mit dem Titel: Wer dem Herzen folgt, wird niemals vom Weg abkommen.

13. Juli 2022 / Joachim Armbrust / Aktuelles / Artikel


"Bleiben oder gehen?" - Martin Weis interviewt Joachim Armbrust

“Ich halte es hier einfach nicht mehr aus. Aber kann ich einfach verschwinden?” Bleiben oder gehen: das ist hier die Frage. Joachim Armbrust im Podcast mit und von Martin Weis.

25. Juni 2022 / Joachim Armbrust / Aktuelles / Interviews


Bedeutung von Psychotherapie aus der Perspektive der urmenschlichen Sehnsucht nach Verbundenheit, als grundlegender Aspekt von Heilung

Aus meiner bisherigen, beruflich-menschlichen Erfahrung heraus, möchte ich gerne feststellen: Es gibt im Menschen eine ganz ursprüngliche Sehnsucht nach Verbundenheit. Immer wieder wird mir offenbar, dass Verbundenheit und Verbundensein, etwas existentiell Menschliches ist.
Das Bedürfnis nach Verbundenheit, - ich wage zu behaupten, dass es in jedem von uns existiert, - ist zugleich eine Sehnsucht nach Ganzheit und Heilsein. Dazu gehört für mich, sich in lebendiger Weise verbunden zu erleben mit seinem Körper, aber auch mit seinen Gefühlen, mit seinen Stimmungen und Befindlichkeiten, auch mit dem was wir denken, mit dem, was über uns hinausreicht, was „größer“ ist wie wir.
Mit sich selbst verbunden sein, heißt auch, sich anzunehmen mit schlechten Gefühlen, mit Befürchtungen, mit Ängsten, mit gefühlter Hoffnungslosigkeit, ja auch mit dem eigenen Kranksein.

Es geht darum, nichts auszugrenzen von dem, was in uns ist, ja, von dem, was wir sind. Sondern uns in Liebe zu umfangen.
Alles, was uns ausmacht und was darüber hinausreicht, in unser Herz zu nehmen, es liebend da sein zu lassen und ihm zu folgen. Darauf zu vertrauen, dass das, was in uns ist, richtig ist und dass es in der Lage ist, uns unseren Weg zu zeigen, wenn wir darauf bauen. Das heißt nichts anderes, als uns den in uns liegenden Lebensbewegungen anzuvertrauen, uns ihnen zu überlassen.

In dieser tiefen Art der Verbundenheit, die wirklich existenziell und tief ist, liegt die Kraft, die uns heilen kann. Sie fordert uns auch zu der Frage auf, was brauche ich, um wieder gesund zu werden?
Ich kann dich in meiner Begleitung auf diese Frage stoßen, dich einladen, sich ihr zuzuwenden, aber was genau du brauchst, um wieder gesund zu werden, dich besser zu fühlen, um wieder heil und ganz zu werden, kannst nur du wissen. Denn nur du selbst stehst mit dem tieferen Sinn hinter allem, was dir geschieht, in Verbindung.

Natürlich brauchen wir eine Medizin, die für einen kranken Menschen eine gängige Maßnahme findet, die ihm helfen könnte. Das kann je nachdem eine Operation, eine medikamentöse Therapie, eine physikalische Therapie oder auch anderes bedeuten. Wir brauchen diese Therapieverfahren – sie gehören ins Zentrum unseres Selbstverständnisses im Zusammenhang mit Medizin.

Nur, wenn das alles wäre, was wir jemandem in seinem Kranksein anbieten, übersehen wir möglicherweise etwas, das für den Betroffenen genauso wichtig ist, und verpassen eine weitere Möglichkeit der Hilfe. Denn jemand, der krank ist, braucht mehr als nur medizinische Behandlung.
Er braucht zum Beispiel, dass wir ihm liebevoll, mitfühlend und mit
Respekt begegnen. Er braucht, dass wir ihn als Menschen sehen,
nicht nur als Krankheit, und ihn, wie er ist, als Menschen annehmen
können.
Jeder Mensch, der zu mir kommt, braucht auch mein wirkliches Da-Sein für ihn – auch das gehört für mich zur gesunden Professionalität.
Und ich meine tatsächlich Da-Sein.
Wir müssen nicht immer gleich etwas tun. Jemanden einfach nur bei der Hand nehmen und Da-sein. Viele medizinische Maßnahmen würden sich möglicherweise erübrigen, wenn wir uns mehr Zeit nähmen, um da zu sein. Dieses Da-Sein betrifft alle Ebenen. Wir sind da für die körperlichen Belange des kranken Menschen, wir sind aber auch da für seine psychischen Belange. Wir sind da für das, was ihm Gedanken macht und welche Überzeugungen ihn in Bezug auf sein Kranksein plagen. Das ist sogar sehr wichtig, was der Mensch denkt, denn das bestimmt sehr viel von dem, was geschieht.
Wenn ein Mensch in der Vorstellung lebt „Ich bin so sehr schwer krank, chronisch krank, da komme ich nie wieder raus“, dann bahnt das bereits etwas an, das auch tatsächlich Realität werden kann.
Der Umkehrschluss gilt allerdings nicht eins zu eins. Wir können uns leider nicht einfach so gesund denken.
Beim Gesundwerden spielen ganz tiefe Schichten, die uns oft nicht zugänglich sind, eine gewichtige Rolle.

Aber allein schon die innere Haltung, zu denken, dass wir wieder gesund werden können, lädt bereits zu einem Heilungsprozess ein. Sie stellt Weichen, hilfreiche Schritte zu unternehmen, Stück für Stück mit der Krankheit umgehen zu lernen, sie vielleicht verwandeln zu können oder mit ihr leben zu lernen.
Auch das ist aus meiner Sicht eine zentrale Aufgabe im Heilberuf: Menschen darin zu begleiten, auch mit einer Krankheit, wenn sie sich nicht heilen lässt, leben zu können – und das sinnerfüllt.
Eine Begleitung, die auf Verbundenheit setzt, braucht einen freien, offenen spirituellen Raum: Wir begleiten die erkrankten Menschen auf allen Ebenen – körperlich, emotional, mental und spirituell.
Spiritualität beinhaltet die essenziellste Form von Verbundenheit, denn sie meint immer das, womit wir uns existenziell über uns als Person hinaus verbunden fühlen. Diese Art der transzendenten Verbundenheit muss für jeden ganz offen sein. Denn das muss nicht religiöse Gläubigkeit bedeuten. Auch ein Atheist kann in sich eine tiefe Überzeugung vom Sinn seines Lebens tragen. Die Offenheit des spirituellen Raums ist also zentral. Denn die Menschen, die zu uns kommen und Hilfe suchen, kommen in einer ganzheitlichen Begleitung unweigerlich an ihre essenziellen Fragen und Grenzen, die, wenn sie berührt werden, oft schon heilsam wirken können. Der Schlüssel, der ihnen den Zugang zu diesen essentiellen Fragen und Grenzen eröffnet, ist nur allzu oft durch Schmerzen, durch lange Erkrankung, durch Behinderung oder im vermeintlich oder real eingeleiteten Sterbeprozess zu finden. Wo auch immer wir in einer Lebenskrise sind, berühren wir die Fragen unserer Existenz und damit auch den spirituellen Raum.
Für mich ist eine Psychotherapie der Verbundenheit eine Therapie, die diesen Raum miteinschließt.
Der offene spirituelle Raum muss eine Einladung an alle Menschen
sein: Der eigene spirituelle Hintergrund, die eigene Idee
vom Leben und seiner Quelle, der eigene innere Ort, wo sich
jemand Zuhause und verbunden fühlt, braucht seinen Platz in
der Begegnung zwischen Hilfe suchendem Menschen und Therapeut/in.
Es braucht einen offenen Raum, um den Menschen, die wir begleiten, Angebote der Steuerungshilfe in ihren Raum hinein zu verschenken und mit ihnen gemeinsam nach Antworten auf die für sie wichtigen Lebensfragen zu entwickeln.
Wir können niemandem sagen: Das ist richtig, da geht es lang. Wir können immer nur Fragen: Wie siehst Du es? Wie erlebst Du es? Wie ist es für Dich? … Dann geschieht etwas.
Da sein können – ein fundamentales Ja zu dem, was ist, einnehmen, das ist die zentrale und heilende Aufgabe!
Die Haltung, die darin liegt, ist eine Haltung des Mich-Zuwenden-
Könnens. Wir können das auch als Herzqualität bezeichnen.
Diese Qualität, sich allen Belangen den Uns-Anvertrauten zuwenden
zu können, all dem, was ihnen für ihre Heilung wichtig ist – ob das eine schwere, somatische Krankheit, eine psychische
Krankheit oder eine spirituelle Krise ist, was auch immer – meint
eben ein bedingungsloses Da-Sein für den Anderen.
„Ich wende mich dir zu, ich bin da.“
Dieses Da-Sein und Dabei-Bleiben ist in sich eine liebende Haltung. Byron Katie spricht von „Lieben, was ist“ (Katie 2012).
Können wir ganz da sein, bezeugen wir, was ist. Den Schmerz, das Leiden. „Ich bin nicht mehr allein damit.“ Das ist so wohltuend und bereits ein erster Schritt im Heilungsprozess.
Das ist ein fundamentales Ja. Ich sage „ja“ zu Dir. Und das ganz
und bedingungslos. Und ich meine mit diesem Ja Dich in Deinem
tiefsten Wesen. Wir müssen nicht Ja zu jeder Ecke und Kante
sagen, die jemand hat. Die darf jeder haben, - wir sind so.
Das Menschliche ist menschlich. Aber ich sage Ja zur Dir als menschliches Wesen. Und ich sage Ja zu dem, was gerade mit Dir ist. Ich kann Ja sagen zu Deiner Verzweiflung und Deinem Leiden. Ich kann das sehen. Das ist so. Ja. Und ich kann das, weil ich mich mit meinem eigenen Schmerz, mit meiner eigenen Unzulänglichkeit, mit meinen eigenen Themen auseinandergesetzt habe. Das hilft mir, auch Dich darin anzuschauen und zu erkennen.
Ich muss mich nicht mehr abwenden von Deinem Leid, denn ich kann ihm standhalten, es einen Moment für dich, aber vor allen Dingen mit dir zusammen tragen.
Was keinesfalls heißt, es für den Anderen zu übernehmen!
Was sich verheerend auf unsere Klienten auswirkt, ist, wenn
wir ihr Leid nicht aushalten können und uns abwenden. Denn damit
lassen wir sie in ihrer höchsten Not allein. Wenn wir gelernt
haben, auch mit den existenziellen Themen umzugehen, können
wir einfach da sein und müssen uns nicht mehr abwenden, weil es
uns überfordert. Wir brauchen also auch eine Entwicklungsmöglichkeit
für uns selbst im Heilberuf, um einen guten Umgang mit diesen Dingen lernen zu können.
Am Boden des fundamentalen „Ja, ich bleibe da, was auch immer gerade ist“ wohnt die Liebe.

Autor / Copyright  Joachim Armbrust

28. Mai 2022 / Joachim Armbrust / Aktuelles / Einblicke


gemeinschaftsbildenden Wir-Prozess - Naturscheck Frühjahr 2022

Wir laden ein zum gemeinschaftsbildenden Wir-Prozess!
Artikel im Naturscheck Frühjahr 2022 von Joachim Armbrust & Sandra Rose S 46-48

20. März 2022 / Joachim Armbrust / Aktuelles / Artikel


KIT - Kindertagespflege Öhringen - Seminar zum Thema Nachhaltigkeit im Kloster Schöntal

KIT- Kindertagespflege Öhringen
Seminar zum Thema Nachhaltigkeit im Kloster Schöntal

Seminarleiter: Joachim Armbrust und Sandra Rose
https://kit-hohenlohekreis.jimdo.com/home/aktuelles/

27. Februar 2022 / Joachim Armbrust / Aktuelles / Einblicke


Artikel in der Frühjahrsausgabe 2022 von SALVE zum Thema Psychotherapie und Körperarbeit

Artikel in der Frühjahrsausgabe 2022 von SALVE zum Thema Psychotherapie und Körperarbeit

14. Februar 2022 / Joachim Armbrust / Aktuelles / Artikel


Psychotherapie und Körperarbeit

In unserem Körper sind all unsere (Lebens-) Erfahrungen, die wir gemacht haben - und ja, sogar Erfahrungen aus Vorgenerationen abgespeichert. Was bedeutet das konkret? Unser Körper, jede einzelne Zelle, besitzt ein Körpergedächtnis. Es gibt vielerlei körpertherapeutische Methoden, aber auch geistige Heilweisen, die dieses Körperwissen aufschließen können. Gelingt es uns mit diesem vordergründig verborgenen Ort in uns in Berührung zu kommen, erhalten wir authentische Antworten und können noch nicht gelebte Potentiale entschlüsseln. Neben alten Traumatas, sind im Körper auch die noch nicht gelebten Impulse für stimmige Entwicklung vorhanden, wenn sie denn in aufmerksamer Begleitung als Schatz gehoben werden können.
Dafür braucht es Wissen, Einfühlung, gute Methoden und eine zugewandte, mitfühlende und wertschätzende Haltung, wie auch theoretischen Hintergrund von Systemtheorie, Bindungstheorie, tiefenpsychologisch fundierter Körperpsychotherapie und Hirnforschung; einen selbsterfahrungs- und praxisbezogenen Erfahrungsraum, um Körperwahrnehmung, Körpererfahrung und Körperausdruck in situativer Passung impuls- und haltgebend in die persönliche Arbeit mit dem Klienten (-System) zu integrieren. Im fließenden Wechsel von Interventionen auf allen Ebenen des Bewusstseins öffnet sich der therapeutische Beziehungsraum zu einem wachen, lebendigen Prozess, der den begleiteten Menschen vitalisiert. Es gibt schließlich keinen Menschen ohne einen Körper: Meine Geschichte manifestiert sich ebenso in meinem Körper wie die Art und Weise, wie ich im Hier und Jetzt Beziehungen gestalte und wie ich über meine Zukunft nachdenke. Ich bin meinen Körper und ohne meinen Körper bin ich nicht. Habe ich meinen Körper verloren, so habe ich mich selbst verloren. Finde ich meinen Körper, so finde ich mich selbst. Jeder Mensch verfügt über Selbstheilungskräfte. Selbstheilung ist sowohl biologisch als auch psychisch immer als Prinzip verfügbar. Die Frage ist, schaffen wir es, dieses Prinzip aufzurufen. Deshalb ist jeder Mensch zunächst einmal für sich selbst die beste Medizin. Der achtsame, intuitive Atem kann dabei der Schlüssel sein, der uns die Tür öffnet.
Indem der/die Begleiter/in den Menschen als jemanden sieht, der in jedem Augenblick Beziehungen gestaltet und Beziehungen verändern kann und damit auch alte Muster auflösen kann, lädt er ihn dazu ein sich auf sich selbst in neuer Weise zu beziehen und damit aus einer unerhörten Geschichte eine erhörte Geschichte zu machen. Eine Psychotherapie, die den Menschen in seinen Hoffnungen, Sehnsüchten und Visionen von einer besseren Zukunft sieht und ihn unterstützt eine Zukunftsgestalt nach vorne zu entwerfen, lädt letztlich dazu ein, dass er sich von dieser selbst erweckten Zukunftsgestalt in die Gegenwärtigkeit rufen lässt. Mit jedem kleinsten Schritt hin auf diese Zukunftsgestalt zu, wächst ihm Energie und Reifung, im Sinne von erfülltem Wachstum, zu. Wie gut, wenn dieser Blick auf den Menschen in einer stimmigen Balance zwischen Körper, Geist und Seele stattfindet.
Auf dem spirituellen Weg geht es vor allem um Integration, das heißt, durchlässiger zu werden, Blockaden und Fixierungen zu lösen, Verdrängtes anzunehmen, Abspaltungen wieder anzukoppeln, sich der (eigenen) Wirklichkeit zu stellen und Zentrierung zu stärken. Integration braucht eine gute Erdung und eine Verankerung im Hier & Jetzt. Die Entwicklung des Körperspürbewusstseins unterstützt diesen Integrationsprozess.
Jede/r kann über das Spüren des eigenen Körpers auch seinem eigenen inneren Wesen näher kommen. Spüren ist wie ein Muskel, der entwickelt werden kann und der mich für meine eigene innere Wirklichkeit öffnet und der uns einen Zugang zu tieferen spirituellen Erfahrungen ermöglicht. Wirkliches Spüren ist ein ganzheitlicher Prozess, in dem die Gefühle einbezogen sind. Ich meine, wenn ich von Achtsamkeit spreche, ein ganzheitliches Spürbewusstsein, keine distanzierte, abgespaltene Haltung, sondern „eine Beobachtung des Körpers subjektiv im Körper seiend“ und „eine Beobachtung der Gefühle aus dem inneren der Gefühle heraus“. Das heißt, man ist gleichzeitig im Körper und in den Gefühlen und man ist gleichzeitig der Körper und die Gefühle. Achtsamkeit schließt Spüren und Fühlen ein – sie ist also eher ein ganzheitliches Spürbewusstsein oder ein spürendes Präsentsein.

Um in der Welt und mit uns selbst einen guten Weg zu finden, brauchen wir einen fühlbaren Grund, der trägt. Wir wollen uns so verankert wissen, dass wir das Gefühl haben, „mit beiden Füßen auf der Erde zu stehen“. Das tun wir dann, wenn wir die Wirklichkeit so sehen wie sie ist, nicht wegschauen, nicht verleugnen, aber auch nicht verteufeln. Annehmen, dass das Leben uns führt und nicht wir mit unserem Willen die Führungs-Hoheit haben, ist eine grundlegend wichtige Ausgangshaltung. Erdung bedeutet in diesem Sinne, mit seinem Wesen verbunden zu sein, anzuerkennen, dass wir ein Teil des universellen Seins sind. Erdung bedeutet also, einen wesensstimmigen Platz in der Welt zu finden, der für uns bestimmt ist. Erdung heißt aber auch, uns innerlich auf der Erde niederzulassen, ihr zu vertrauen, dass sie uns trägt und uns ihr zuzumuten. Erdung bedeutet, die Kraft, die aus der Erde kommt, in uns hineinfließen zu lassen, uns von ihr tragen zu lassen. Erdung meint, uns in uns selbst, in unserem Körper niederzulassen, in unserem Körper zu wohnen. Erdung heißt auch, in der Gegenwart präsent zu sein. Erdung bedeutet, uns den Widersprüchen und Herausforderungen des Lebens auf der Erde zu stellen und nicht (in eine spirituelle Scheinwelt) zu flüchten. Erdung bedeutet, mit der relativen Wirklichkeit, mit unseren Begrenzungen und mit Grenzen, auf die wir stoßen, gesund und reif umgehen zu können. Erdung können wir in und durch unseren Körper entwickeln, indem wir unsere Körperbasis, nämlich unser Becken, unsere Beine und Füße mit unserer Aufmerksamkeit, mit unserem Spürbewusstsein, mit unserer eigenen Präsenz anfüllen, uns in uns selbst in sie niederlassen und immer wieder die Erde unter unseren Füßen spüren. Nur wenn eine gute Erdung und Verankerung im Becken vorhanden ist, kann sich der Bauch als Machtzentrum entspannen und sich das Herz, das oft permanent in Hab-Acht-Stellung und angespannt ist, wenn wir keinen sicheren Ort haben, hingeben und entspannen. Erdung gibt innere Stabilität und Sicherheit und ermöglicht uns, uns niederlassen und entspannen zu können. Gerade, wenn wir einem spirituellen Entwicklungsweg folgen, der uns ruft, ist die Gefahr immer wieder groß, dass die Erdung verloren geht und wir in dieser Welt nicht mehr zurechtkommen. Singen wir also ein Loblied auf den Atem, der die Fähigkeit besitzt, uns Sicherheit zu geben und uns gleichzeitig ermutigt uns auf die Lebens- und Körperprozesse einzulassen, ihnen von innen heraus zu folgen, ein Teil von ihnen zu werden.
Je mehr und je tiefer wir unseren Körper spüren können, desto genuss-voller können wir unseren Körper erfahren. Das liegt daran, dass wir dabei ja nicht nur das Gewebe, die Muskeln und die Knochen spüren, sondern auch mehr und mehr die verschiedenen Flüssigkeiten und die feinstofflichen Energien, die unseren Körper durchdringen, sowie die feinen Schwingungen und Rhythmen. Diese zu spüren können Genuss, innere Freude und das Gefühl, ganz bei sich zu sein, hervor-bringen. Konzentration und körperliche Entspannung lösen warme, freundliche Körperempfindungen aus, die bis hin zu Gefühlen von Verzückung gehen können. Denn wenn sich unser Körper für unser Wesen und damit für unser Sein öffnet und dadurch die Türen zum reinen Bewusstsein aufschließt, verstärkt sich die Selbstregulierungsfähigkeit des Körpers und es aktivieren sich unsere „Zellkinder“ und damit unsere Selbstheilungskräfte.
Wenn ich meinen Körper wirklich spüre, dann gebe ich meinem Körper meine Aufmerksamkeit und bin in ihm präsent. Wenn ich einem lebenden Wesen meine zugewandte, entspannte Aufmerksamkeit schenke, wirkt sich das in der Regel positiv aus. Wir alle kennen das, wenn uns ein anderer, vertrauter Mensch seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt und er in diesem Moment nichts Bestimmtes von uns erwartet, sondern uns so annimmt, wie wir gerade sind, ist das sehr angenehm. Dann fühlen wir uns gestärkt, verstanden, entspannt usw. So ist es auch mit unserem Körper: wenn wir ihm unsere ungeteilte Aufmerksamkeit schenken, dann kann er etwas entspannen, etwas loslassen, sich etwas besser selbstorganisieren und regulieren. Dann können die in uns wohnenden Selbstheilungskräfte etwas mehr wirken. Dasselbe gilt auch für unsere Gefühle: Wenn wir ihnen unsere ungeteilte Aufmerksamkeit geben, ohne sie direkt oder subtil zu manipulieren oder zu kontrollieren, können sie ihrer eigenen innewohnenden Bewegung nachgehen und die in uns wohnende Lebenskraft kann auch durch die Gefühle in Richtung Ganzwerdung und Integration wirken.
Ursprünglich ist unser Körper mit seinen Sinnen ein gut funktionierender Signalgeber, wenn es um die Wahrnehmung der grundlegendsten Bedürfnisse des Überlebens und Wohlbefindens geht. Viele Menschen haben die Fähigkeit des Körpers, uns zum Glück zu leiten, nicht ganz verloren. Doch die meisten Menschen können sich auf ihre Sinne und die Signale des Körpers nicht mehr verlassen.
In der Psychotherapie arbeiten wir an der Verbindung von Geist und Körper. Worte können heilen, können bis in den Körper hinein, ja bis in die Zellen hinein, heilend wirken. Wir fragen uns andauernd, wie kann ein Körper, der aufgrund von Erlebnissen in den Kreislauf von Erstarrung, Anspannung und Schmerz geraten ist, sich in der sicheren Gegenwart wieder einladen lassen, weicher, durchlässiger und beweglicher zu werden? Denn wenn sich innerer Friede einstellt, kann sich auch immer ein Gefühl von Geborgenheit und Aufgehobensein einstellen. Physiologisch würde man von „Umschalten auf das vagale, also das autonome, parasympathische Nervensystem“ sprechen, welches die Tür zu den genialen körpereigenen Selbstheilungsressourcen öffnet. Das erlaubt jedem/r, sich zu regenerieren, wieder sich selbst zu werden, sich selbst wieder gerecht zu werden. Ins Üben mit dem Körper zu gehen, ist wie anzukommen, wie heimzukommen. Das Gefühl von Zerrissenheit, von Mangel und Verlust, löst sich auf. Es fühlt sich erfüllt und wesentlich reicher an, wie noch vor einem Augenblick. Und es stellt sich damit auch ein Gefühl von Sicherheit ein.
Der Körper sagt uns dann wieder, wie wir uns wirklich fühlen, deshalb kann unser Körper unser spiritueller Führer sein. Die Wahrheit ist in unserem Körper gespeichert, und obwohl wir in der Lage sind, sie zu verdrängen, können wir sie nie verändern. Unser Verstand kann getäuscht werden, unsere Gefühle können manipuliert und unsere Vorstellungen verwirrt werden, und unser Körper kann mit Medikamenten ausgetrickst werden. Aber eines Tages wird uns unser Körper die Rechnung präsentieren, denn er ist ebenso unbestechlich wie ein Kind, das noch ganz in seiner Seele ist und keine Kompromisse oder Entschuldigungen akzeptiert. Unser Körper wird so lange nicht aufhören, uns zu quälen, bis wir aufhören, vor der Wahrheit zu fliehen.
Es gibt einen inneren, heilen Raum in unserem Körper, einen Seelengrund. Beim tiefen Einatmen in den Bauch erweitert sich der Raum nach unten und nach oben: Nach unten, indem sich das Zwerchfell wie ein umgekehrtes Gewölbe nach unten dehnt. – Nach oben, in dem der Brustkorb wie ein Regenschirm aufgespannt wird. So entsteht eine Art heiliger Leibraum der inneren Mitte, die den universellen Atem und die Gegenwärtigkeit desselben aufnimmt und Heimat gibt. In diesem Seins-Zustand spüren wir ein deutliches Durchströmtsein des ganzen Körpers von Lebenskraft, bis in die Finger- und Zehenspitzen hinein.
Den eigenen Bedürfnissen auf die Spur zu kommen lohnt sich! Denn nur ein wahrgenommenes Bedürfnis kann auch „gestillt“ werden. Wer weiß heute noch etwas von seiner bedürftigen Seele, die es nach dem Urgrund, nach Wahrhaftigkeit und Wesensnähe dürstet? Unser Atem verbindet uns mit dem großen Atem. Der Atem verbindet uns also mit uns und der Welt, er belebt uns. Lasst uns also einen Raumwechsel über den Körper und den Atem vornehmen: Heraus aus der getakteten, zielgerichteten Zeit, hinein in einen Raum von Zeitlosigkeit, Absichtslosigkeit und Verlangsamung. Heraus aus dem Willen, hinein in die Hellhörigkeit, die „hört“, wo wir hingeführt werden bzw. wohin wir eingeladen werden. Raus aus dem strukturierten Vorgehen, hinein in ein intuitives Geführt Werden.

Wer eine Krise durchsteht, sieht bereits einen Lichtstrahl am Horizont. Oftmals ist das ein Aufbruchsignal, um wieder neue Energie und Bewegungsfreiheit zu erlangen. Dabei kann es helfen, gleichsam einen Blickwinkel aus der eigenen Zukunft einzunehmen und aus der Vision der Überwindung des dunklen Tages auf die momentan schöne Zeit zu schauen. Hoffnung gibt Kraft, tief Luft zu holen, - sich aufzurichten auch. Von der Zukunftsgestalt her gerufen zu werden, führt uns bei jedem Schritt den wir in die eingeladene Richtung gehen, Energie zu.
Mit jedem Atemzug kann der gerade vergangene Augenblick neu anfangen, taufrisch. Wir können Schweres wegatmen, wir können in Schweres hinein atmen, frische Luft dazu lassen und alles zusammen mit dem Atem verabschieden. Der Mensch kann sich in jedem Atemzug mit den universellen Kräften verbinden und das ist wahrlich eine spirituelle Ressource. Ohne Sehnsucht gibt es keinen Aufbruch zu einem spirituell-geistlichen Weg. Der Atem kann uns die Wirklichkeit der universellen Liebe erfahrbar machen und wir können darin die Tür zu Vertrauen und Zuversicht finden.
Was ist nun das Wichtigste für die Entwicklung eines praktisch wirkenden Selbst-bewusstseins?
Es ist die Erweckung, Differenzierung und Artikulierung eines Spürsinns. Dabei handelt es sich um ein feinsinniges Organ, das zuverlässig die Abweichungen von der rechten Innenordnung vernimmt, insbesondere aber für die falsche bzw. richtige Zentrierung des Subjekts empfindsam ist und immer empfindsamer wird. Wir sind also auf die Ausbildung eines Organs zum Spüren der rechten Mitte und dessen, was von ihr abweicht angehalten. Ausdrücken tut sich dieses Organ eben auch über unseren resonanzfähigen und spürfähigen Körper, der uns Signale sendet oder einfach ist, was er ist, in Unordnung, im Lot, in Freude, in vollem Wachbewusstsein oder im sich aufgebenden Fallenlassen.
Der Mensch hat einen zweifachen Auftrag. Einerseits geht es darum, die Welt zu gestalten und gleichzeitig im Werk zu reifen auf dem inneren Weg. Psychotherapie als prozessualer Initialraum verstanden hilft die Tür zum Geheimen hin zu öffnen. Das Wort Tiefe bedeutet etwas anders als Intensität: tief ist immer, was den Menschen in seiner ganzen Person betrifft; je mehr sein ganzes Sein betroffen ist, umso tiefer sind seine Empfindungen. Je oberflächlicher Empfindungen sind, desto mehr ist er nur mit einem Teil seiner Selbst beteiligt. Mit der Tiefe der Erfahrung steht das Sein auf dem Spiel. Es fordert den ganzen Menschen und gibt ihm seine wahre Verantwortlichkeit zurück.
Texte sind oft Schlüssel zum Zugang des Numinosen. Auch unser Körper kann ein solcher Schlüssel sein. Unser Körper verkörpert, was oder wer wir sind. Der Verstand kann nur entziffern, was der Körper längst erfahren hat. Bevor wir begreifen, erfahren und spüren wir.
Durch den Einbezug von Körper und Stimme wird eine physisch-psychische Balance wiederhergestellt, die ganz natürlich ist, weil jeder Mensch sie auf die Welt mitgebracht hat. Das Unbewusste äußert sich über diffuse Gefühle und/oder Körperempfindungen. Es wird z.B. als mulmiges Gefühl im Bauch, als Freude im Herzen, oder als Kloß im Hals wahrgenommen. Das isolierte Nachdenken mit dem Verstand stößt an Grenzen. Sinnhaftigkeit ist etwas ausgesprochen Subjektives und liegt in unserer Persönlichkeit und in unseren Erfahrungen begründet. Unser Körper ist das Gedächtnis unserer Erfahrungen. Das Selbst ist eine Schnittstelle zwischen Körper und Geist. Es benötigt Körpersignale als Wegweiser zur Orientierung in seine unendlichen Weiten und es kann auf Körperprozesse einschließlich der in vielen Körperreaktionen verankerten Emotionen Einfluss nehmen. Selbst und Körper sind miteinander verbunden. Genauso, wie das Selbst die Signale des Körpers zur Orientierung benötigt, kann der Körper wiederum das Selbst aktivieren.

Körperspüren

Das aktiv erweckende Körperspüren ist eine zentrale Qualität, die durch folgende Schritte eingeladen werden kann: Sich Zeit und Raum geben, außerhalb von getakteter und gerichteter Zeit, vielmehr in einem Raum von Eigenrhythmus und Zeitlosigkeit, um wahrzunehmen, wie sich mein Körper von innen her anfühlt, wenn ich quasi sein Pulsieren und Atmen bin. Ich muss dabei nichts tun, außer in wacher Weise da sein und subjektives Spüren zulassen. In einem weiteren Schritt können wir bewusst und kraftvoll tief ein- und ausatmen; um mit dem Einatmen den inneren Körper-Raum noch etwas (aus-) zu weiten. Mit dem Weiten entsteht Spielraum, der uns ermöglicht, verschiedene Seinszustände abspürend zu vergleichen oder noch besser nebeneinander stehen zu lassen und diesen inneren Raum der Möglichkeiten zu spüren und sich in den Ausatem hinein zu entspannen. Durch das kraftvolle Einatmen spüre ich meine eigene Kraft und nehme bewusst wahr, was mich nährt.
Ich kann spüren, wie sich mein Körper von innen her anfühlt und welche inneren Räume sich dabei öffnen, welche Möglichkeits- und Spielräume, welche Weite dabei entstehen kann. Nach jeder Sequenz des übenden Atmens lohnt es sich nachzuspüren, wie sich der Körper nun anfühlt, was sich verändert hat, was sich leichter und entspannter anfühlt, was mich in wache Aufmerksamkeit bringt usw..
Wir lernen begreifen, wie wir mit dem Atem in Fühlbewusstsein und Spürbewusstsein nicht nur zu unserem Körper kommen, sondern auch zu den sich vollziehenden Körperprozessen. Je feiner die Ebenen sind und je tiefer die wache Entspannung sich vollzieht, desto mehr gelingt es uns, in Kontakt mit unserem Wesen zu kommen oder besser gesagt, umso leichter und freier schenkt es sich uns, in dem es sich uns offenbart. Die regelmäßige Praxis des prozessualen und intuitiven Atmens kann unser Körperspürbewusstsein enorm stärken.
Dabei ist einiges zu beachten: Dass man den Körper wirklich von innen her spürt, so als würde man in ihm spazieren gehen und dass man lernt gleichzeitig den eigenen Atem zu spüren, den man in seinem jeweiligen ganz eigenen Rhythmus frei fließen lässt, so dass Atem, Aufmerksamkeit und Spürbewusstsein sich verbinden können.
Körper und Geist stehen in engster Wechselwirkung miteinander. Dabei können wir unseren Körper als Spiegel und Seismograf für unsere seelischen Prozesse verstehen. Darüber hinaus können wir den Körper im wahrsten Sinne des Wortes als Basis für unseren psycho-spirituellen Weg mit seinen Prozessen der Ent-Identifikation, Auflösung und Zentrierung begreifen. Schließlich können wir uns im Praktizieren der wachen Aufmerksamkeit und der gegenwärtigen Präsenz voll und ganz in ihm niederlassen und über das ganzheitliche Körperspürbewusstsein in Kontakt kommen mit dem umfassenden, reinen Gewahrsein, das alles Existierende durchdringt und doch unabhängig von ihm ist.

7. Februar 2022 / Joachim Armbrust / Einblicke


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