2017

Psychotherapie als prozessualer Initialraum des „zu sich selbst und seinem Wesenskern findens"

Durchbruch zum Wesen, Psychotherapie als prozessualer Initialraum des „zu sich selbst und seinem Wesenskern“ finden

„Der Mensch zeigt in seinem eigenen Wesen
einen Drang in Richtung auf das immer vollere Sein,
auf die immer vollendetere Verwirklichung
seiner Menschlichkeit.“  Abraham Maslow

„Werde, was du bist.“
Wir haben offensichtlich ein unbewusstes Wissen darum, wohin wir uns entwickeln wollen. Vertrauen wir uns diesem Entwicklungsimpuls an, so kann sich unsere Schönheit entfalten, unser inneres Wesen kann durch uns hindurchstrahlen, und beides kann nach außen sichtbar und wirksam werden. Wir können zu wahrem Menschsein reifen.

In jedem von uns gibt es einen solchen Ort des Wissens, einen Urgrund des Seins. Aus dieser Quelle können wir neue Impulse für unser Leben schöpfen. Wenn wir unsere Rollen, unsere mit Energie gefüllten Lebensgestalten zum Zurückweichen einladen, uns von ihnen lösen, können wir in wachem Gewahrsein dort, an diesem „heiligen“ Ort, einkehren. Dort kann es dann zu einem Wende- und Erneuerungs-Punkt kommen.

Wenn wir eine Form, zum Beispiel ein Glas, unter Wasser drücken, drücken wir mit ihr auch die Luft hinunter, die darin gesammelt ist. Wir alle kennen das, sobald wir die Form etwas schräg halten, steigt die Luft, die sich darunter gesammelt hat, auf. Sie bekommt „Auftrieb“ und setzt sich nach oben in Bewegung. Sie will an die Luft, ans „Licht“.

Wenn uns Verzweiflung und Leid an dieses letzte Tor des „Wissens und des Herzen-hörens“ führt, dann sind wir meist schon bereit, anzunehmen was ist, anzunehmen, was kommen mag. Dieser Prozess hat etwas zu tun mit einem kleinen „La petit mort“, mit einem kleinen Tod, der den kurzen Verlust oder die Schwächung des Bewusstseins mit sich bringt, damit unser Wesen durchbrechen kann.

Wir stehen an einem Punkt in unserem Leben, an dem sich unsere ehemals vorausgeträumten Zukunftsgestalten ins Leben gebracht haben und sich in Vollendung verwirklicht haben. Mit Sonnen- und Schattenseiten hat sich unsere Identität ausgelebt und will sich wieder neu finden. Vielleicht will sie sich in einen neuen Lebensabschnitt hinein gebären, vielleicht etwas noch Festgehaltenes aus der Vergangenheit endgültig verabschieden. Vielleicht will etwas, was uns noch hält, ins Licht und sich dort in Licht oder im Licht verwandeln.

Auf diesem Weg, in diesem beschriebenen Prozess, fließt uns neue Energie zu, mit der wir kleine Schritte mit „Noch-Schatten“ in ein Neues Leben wagen können.

Für Karl Fried Graf Dürckheim, den Begründer der „Initiatischen Therapie“, bedeutet das Wort „Initiare“, das Tor zum Innersten und Geheimsten öffnen. Indem sich dieses Tor öffnet, kommen wir zur Botschaft unseres Wesenskerns, der sich in seiner Vielschichtigkeit und Vielseitigkeit ins Leben bringen möchte und so viel größer ist als unser kleines weltliches Ich. Im Wesenskern ist nicht nur unser gelebtes Leben und unser Gewordensein enthalten, sondern auch unser ganzes noch zu erschließendes Potential, unsere Möglichkeit ein „Ganzer Mensch“ zu werden.

Auch C.G. Jung hat mit seinen Überlegungen in Zusammenhang mit Individuation und Selbstwerdung, sein Erfahrungswissen mit sich selbst und mit den Menschen, die er begleitet hat, in Sprache gegossen.

Ihm ist die Wichtigkeit des Transzendenz-Bezuges in unserer menschlichen Entwicklung, mehr als deutlich und eine Herzensangelegenheit geworden.

Was ich hier beschreibe, ist die Weise, in der sich das Absolute, das was außerhalb von Raum und Zeit ist, sich in unserer kleinen Existenz Raum schafft. Eine Existenz, die letztendlich zwischen Leben und Tod vergeht.

Von uns allen wird in unserem gegenwärtigen Sein ein Bewusstseinssprung eingefordert. Nachdem es eine Ära gab, in der wir mit der Natur und in der Natur gelebt haben, in einer mütterlich tragenden Welt also, haben wir eine Ära durchschritten, in der wir uns von dieser Natur abgrenzen wollten, uns über sie erheben, uns aus ihr herausheben wollten. Wir wollten uns ihrer bemächtigen und sie beherrschen auf ganz männliche Art gestaltend und bestimmend eingreifen, andere dominieren uns zum Herrscher machen.

Unsere Aufgabe besteht nun darin unser weltliches Leben rückzubinden und mit unserem überweltlichen, göttlichen Ursprung zu verbinden. Unser Kompass muss mehr als nur unseren Erfolg im Auge haben, er muss den Blick für eine ganzheitliche Schau entwickeln. Wir alle sehnen uns nach einem Leben mit mehr Tiefe und mit mehr Menschlichkeit. Wir alle wären wesentlich froher, wenn wir unser Leben mit mehr Selbstmitgefühl und das anderer Menschen und Lebewesen mit mehr Mitgefühl begleiten könnten.

Hätten wir ein Gespür für die Selbstwürde, die in sich in allem Lebendigen zeigt und könnten wir zum Erhalt dieser Selbstwürde beitragen, dann wäre die Welt weniger dunkel und weniger bedrohlich. Sie würde auf Ausgleich und organisches Wachstum achten.

Es gibt eine Dimension jenseits von Schmerz und Freude, in ihr liegen tiefe Wahrheiten verborgen, aus denen wir schöpfen können, wenn wir unseren Weg aus den Augen verlieren, wenn wir unser inneres Gleichgewicht verlieren, wenn wir mehr Rolle, denn Wesen, ans Licht bringen. Diese Dimension hilft uns zurück in ein Leben zu finden, das getragen ist von Wahrhaftigkeit und Versöhnung,

Meine Arbeit in der prozessual-initialen Therapie lädt Menschen ein, die

  • nach Besinnung, Vertiefung und Entfaltung,
  • nach Lebensorientierung und Ortung,
  • nach dem Sinn ihres Lebens, nach dem Woher und nach dem Wohin
  • nach den tragenden Wurzeln unseres Seins

suchen. Deren Leben danach brennt auf diesem Wege weiter zu gehen.

Bei mir in der initial-prozessualen Psychotherapie bist genau Du, ja Du, als Mensch gemeint.

Der Raum (im räumlichen, wie auch im geistig-seelischen Sinne), den ich anbiete, öffnet ein Feld, in dem sich der Mensch als "Getroffener" auf seinen Weg machen kann: "Ich bin es, der gemeint ist. Der Aufruf gilt mir.“

Dieses 'Selbst als Wesenskern' steigt aus der Tiefe auf, es liegt im
Innersten des Menschen und ist nicht das „Welt-Ich“.

Der einzelne Mensch fühlt sich heute zunehmend in seinem täglichen Umfeld nicht mehr angesprochen und gemeint. Er spielt oftmals keine Rolle mehr und kann seine Wirkmächtigkeit nicht spüren. Oft wird er von außen geführt, Strukturen und Vorgaben zwingen ihn auf eine Bahn, so jedenfalls fühlt er das persönlich.

Deshalb tauchen auch Fragen in ihm auf:

  • Wer bin ich wirklich im Grunde meines Wesens?
  • Was ist der Sinn meines Daseins?
  • Stehe ich am rechten Platz?
  • Was ist der Sinn dessen, was ich gerade erlebe?
  • Warum passiert mir das?

Lebensbilder geraten in Bewegung. Grenzen werden spürbar und stellen das bisherige Dasein grundlegend in Frage. Eine Kraft wird geahnt, die nach Ausgestaltung und Verwirklichung verlangt, eine Kraft, die auch ver-rücken und verstören kann. Dieses Geschehen, als "göttliche Störung" verstanden, meint den ganzen Menschen und ruft ihn zu einer neuen Ordnung auf. Es fordert zur Bereitschaft, sich verwandeln zu lassen, auf. Wandlung geschieht, wenn wir es zulassen und den Mut haben, ein Anderer zu werden.

Wenn Sie solche Erfahrungen und Fragen ernst nehmen, können Sie in Ihrem Kern angerührt werden. Dies kann eine Wandlung einleiten.

Diese Wandlung geht nicht ohne inneres gefühl der Not-Wendig-keit vor sich. Verzweiflung, Orientierungslosigkeit, Angst, Trauer, Schmerzen und Sehnsucht wie auch tiefe Lebensfreude und vielleicht ungekanntes Glück und eine neue Liebesqualität begleiten diesen Prozess der Individuation, der Wiederherstellung einer Ganzheit in einem neuen übergeordneten Sinn.

Dabei lässt die Erfahrung ureigenster und zugleich menschheitlich geprägter Seelentiefen den Einzelnen allmählich zu sich selbst hin reifen und einen schöpferischen Umgang mit den Lebenskräften finden.

Initiation und Individuation

Die von mir entwickelte initial-prozessuale Psychotherapie meint immer zugleich Initiation und Individuation, Erfahrung und Wandlung. Sie will Menschen in ihrer Suche unterstützen und begleiten. Sie ist Arbeit am Kern und umfasst die individuelle Begleitung in Lebenskrisen. Sie bietet Hilfe bei einer Gestaltung des Lebensweges, die sich auf die existentielle Dimension des Menschen gründet.

Seelische und psychosomatische Störungen werden in der initial-prozessualen Therapie als Anzeiger für Verhinderungen auf dem Weg der Menschwerdung (Individuation) verstanden. In diesem Sinne steht im Vordergrund der Arbeit die ganzheitliche Heilung des Menschen, die Rückbindung an seinen immanenten Wesenskern, nicht die Beseitigung von Krankheitssymptomen.

4. März 2017 / Joachim Armbrust / Einblicke


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